Alles schien nach Außen hin perfekt. Niemand kam auch nur auf die Idee, dass irgendetwas mit mir nicht stimmen könnte. Alles ging seinen gewohnten Gang, ab und zu ein paar seltsame Gedanken, aber alles in Allem lief das Leben recht normal. Der Alltag hatte mich voll im Griff. Alles schien nach Außen hin perfekt. Niemand kam auch nur auf die Idee, dass irgendetwas mit mir nicht stimmen könnte.
Doch dann, ... Der plötzliche Zusammenbruch. Alles, von heute auf morgen zerstört. Nichts ist mehr heil. Meine Gedanken bringen mich zum Verzweifeln. Jede Sekunde wird zur Qual. In jeder noch so kleinen Bewegung und jedem noch so kurzen Gedanken liegt ein ganzer Weltuntergang für mich. Ich muss verrückt sein. Niemand bemerkt, was in mir vorgeht, dafür sorge ich, indem ich mit allen mir noch zur Verfügung stehenden Mitteln verhindere, dass irgendeine Handlung einen nach außen hin abnormalen Charakter bekommt.
Ich bin in meinem eigenen Kopf gefangen und kann mich nicht befreien, niemand kann mir helfen, ein aussichtsloser Kampf gegen mich selbst. Je mehr ich versuche dagegen anzukämpfen, desto mehr schlägt mein eigenes Ich nach mir. Mit voller Härte. Ohne Gnade.
Jede Bewegung, jeder Gedanke und alles, was in meiner Umgebung stattfindet, bedeutet für mich eine neue Welle der Angst, Panik und Verzweiflung. In jeder Sekunde überfluten massenweise Eindrücke mein Gehirn. Alles wird aufgenommen und verarbeitet. Jede noch so kleine Handlung, sei sie von mir selbst oder von Anderen, alle Dinge oder sogar Zustände in meiner Umgebung fordern von mir augenblicklich eine Reaktion. Der ganze Tag ist eine reine Qual. Diese Masse an Informationen und Reizen und der Zwang, allen mit einer extrem seltsamen und nicht nachvollziehbaren Handlung zu begegnen ist nicht zu ertragen. Doch das ist noch nicht einmal der schlimmste Teil von allem.
Gebe ich diesen absurden Einfällen nicht nach, so überrollen mich Nervosität, Anspannung, ja sogar Panik. Es fühlt sich an, als ob sie bis ins unermessliche gehen, und mich viele schreckliche Stunden lang beschäftigen könnten. Ich schaffe es nicht, mich dagegen zur Wehr zu setzen, so sehr ich es auch will. Ich habe einfach keine Chance gegen diesen übermächtigen Gegner, gegen mich selbst.
Diese ganze qualvolle Sturmflut der Emotionen nimmt erst ab, sobald ich dem Druck nachgegeben habe. Doch dann wird der vorherige Zwang augenblicklich mit einem oder sogar mehreren neuen ersetzt. Der ganze Tag wird komplett ausgefüllt. Freie Zeit bleibt nicht. Was ich machen will zählt nicht. Ich habe keine andere Wahl mehr. Ich muss allen erdenklichen und wirren Einfällen Folge leisten. Ich bin nicht mehr ich selbst und bekomme das mit vollem Bewusstsein mit.
Meine Sinne sind extrem geschärft, um jedes noch so kleine Detail wahrzunehmen. Meine Nerven sind durch den andauernden Stress, bis zum Zerreißen gespannt. Ich bin zu einer tickenden Zeitbombe geworden.
Keiner kann mich oder meine Reaktionen verstehen, schon gar nicht meine Gedanken. Nicht einmal ich selbst. Die ganze Sache ist so extrem seltsam, ja verrückt, dass sie einfach unbegreiflich ist. Mittlerweile habe ich keine Kraft mehr, um mich gegen ein Durchdringen meines Inneren nach außen zu wehren.
Nein, ich binde sogar meine Umwelt in meinen ganzen Gedankenkomplex ein.
Immer öfter bekomme ich vor lauter Anspannung eine Art Wutanfall, ich beginne mittlerweile, auch meiner Umgebung, meinen liebsten und geschätztesten Menschen Schuld an meiner Lage zuzuschreiben. Wenn sie schon in meine Nähe kommen, dann sollen sie mir doch auch gefälligst einen Teil meiner Last abnehmen!
Aufladen können sie mir mit ihrer Annäherung ja auch.
Es besteht dringender Handlungsbedarf. Jede Minute meines Lebens zerfrisst meinen Verstand, meine Hoffnung und meinen Willen.
Selbstmord ist eine Option.
Ich werde als Notfall in der nächstgelegensten Ambulanz für Kinder- und Jugendpsychologie aufgenommen und bekomme für's Erste starke und beruhigende Medikamente verordnet, damit ich zumindest transportfähig bin.
Nach einiger Zeit erfahre ich, dass es sich bei mir um eine Zwangserkrankung handelt. (WHO F.42)
Der Versuch, mich ambulant einigermaßen hinzubiegen gestaltet sich langwierig und nicht besonders erfolgreich, die Besserung meiner Beschwerden geht nur schleppend bis garnicht vorran.
Mir wird gesagt, dass ich, wenn ich wieder ein ansatzweise selbstständiges und lebenswertes Leben führen wolle, eine ungeheuere Anstrengung und Disziplin an den Tag legen, und mich stationär in Behandlung begeben müsste.
Ich muss in eine Psychatrie!! ICH! Ich... Ja, ich. Niemals hätte ich mit soetwas gerechnet, NIE. Das kann nicht mit mir passieren, nicht mit mir... Und außerdem sind da ja eh nur die Verrückten. Da gehe ICH nicht hin. Das kann alles nicht wahr sein! ...
Die EINZIGE Möglichkeit, mir überhaupt zu helfen besteht darin, dass ich mich selbst absichtlich den ganzen schrecklich unangenehmen und unmenschlichen Qualen immer und immer und immer wieder aussetze und bis zum bitteren Ende durchhalte. Sollte ich es tatsächlich schaffen, meine Nervosität über einen langen Zeitraum zu ertragen, wird sie angeblich stückweise weniger, bis sie irgendwann ganz verschwindet.
Diesen ganzen seelischen Schmerz, das Gefühl, verrückt zu werden und in meinem eigenen Körper nicht mehr ich selbst zu sein, die Schweißausbrüche, das Zittern und diese ganze Erniedrigung vor mir selbst und den Anderen soll ich mir auch noch selbst immer wieder reinwürgen?
Nein, danke, auf diese höllische Anstrengung kann ich verzichten, zumal ich nicht glaube, dass meine Aufgewühltheit mit der Zeit verschwindet.
Aber es ist meine einzige "Rettung", ich muss mich selbst retten!
Den Umgang mit mir muss ich nun mit vielen sehr hochdosierten Medikamenten , einem längereren Aufenthalt in einer Psychatrie, und einer anschließenden Ambulante Therapie lernen.
Ist das nicht "wunderbar"?
Selbst nach dieser langen Behandlung würden meine Chancen nicht besonders gut stehen und ich würde womöglich häufiger Rückfälle erleiden und nie komplett geheilt werden können.
Diese Aussichten helfen mir in meiner gegenwärtigen Situation auch nicht weiter, ganz im Gegenteil. Für immer habe ich nun diese ganze schwere Last mit mir zu tragen, wenn ich Glück habe verliert sie ein Bisschen von ihrem niederschmetternden Gewicht. Das ist auch schon alles, was man nur ansatzweise positiv nennen könnte. Perfekte Zukunftsaussichten, oder?
Mein ganzer Verstand, ein riesiges, schwarzes, wackelndes Gebäude, das seine Grausamkeit weit hinaus spüren lässt und jeden Moment droht zusammenzubrechen und damit allem, was es umgibt einen immensen Schaden zuzufügen ist außer Kontrolle.
Es sind nun einige Wochen mit dieser grausamen und unvorstellbaren Qual vergangen. Doch eines ist sicher:
Es wird nicht mehr so weitergehen können. Noch ein paar Tage länger werde ich diese Tortur nicht überleben können und wollen, es muss aufhören!
Auf welchem Weg auch immer.