Dein Erleben ist sinnvoll und dich trifft keine Schuld!
Liebe Misshopeful!
Danke, dass du hier von deiner Erfahrung berichtest! Das ist sehr mutig von dir, und als ich deine Beschreibung gelesen habe spürte ich, wie unvorstellbar grauenhaft das Erlebte auf dich wirken muss! Deine Beschreibung klingt furchtbar, und ich wünsche Dir in dieser schwierigen Zeit ganz viel Kraft mit dem Erlebten umzugehen! Dass du dir Vorwürfe machst ist eine häufige und verständliche psychische Reaktion von Menschen, die Vergewaltigungen überleben. Es macht das Unvorstellbare, das namenlose Grauen, das dir widerfahren ist "logisch". Wenn man selber Schuld an der Vergewaltigung ist, bekommt die krasse Grenzüberschreitung, die kaum fassbar ist weil sie so demütigend ist, eine Kausalität. Gleichzeitig gibt es viele weit verbreitete Mythen über Vergewaltigung, insbesondere Frauen bekommen oft zu hören, dass sie etwas "provoziert" hätten. Das hast du aber nicht. Du bist in keiner Art und Weise Schuld an dieser Tat. Der Täter ist der Verursacher, vollkommen verantwortlich für seine Überschreitung, Machtausübung und Gewalt, die er an dir ausgeübt hat. Und das anzuerkennen braucht etwas Zeit.
Egal, ob du ihm einen Kuss gegeben hast, dein Nein muss respektiert werden. Selbst wenn du zum Sex eingewilligt hättest und deine Meinung geändert hättest, ein Nein bedeutet auch dann nein. Egal wie schutzlos du dich machst, niemand hat das Recht Dir so etwas anzutun. Du hast ihn weggedrückt. Du hast ihn abgewiesen. Es ist verständlich, dass du ihn, als er weitermachte ohne auf Dich zu hören, nicht sofort rausgeschmissen hast! Das hast du vielleicht auch zu deinem eigenen Schutz getan. Denn wenn man auf diese Art und Weise bedroht wird, gibt es viele Szenarien, die passieren könnten, dein Gehirn schaltet automatisch auf Gefahrenreaktion. Da gibt es drei Varianten: Angriff, Flucht und Lähmung. Die dritte Variante wird insbesondere bei Ohnmachtssituationen aktiv. Das ist eine sinnvolle Reaktion, auch wenn es Dir im Nachhinein vielleicht nicht so vorkommt.
Ich bin selber gerade dabei eine Vergewaltigung zu verarbeiten, und mehrere sexuelle Grenzüberschreitungen meiner Vergangenheit. Es ist sehr schwierig mit den Schamgefühlen umzugehen, dem Übergriff überhaupt eine Gestalt zu geben. Bei mir waren es noch mehr "Grauzonen", da ich zB. zu einer Person ein sexuelles Verhältnis hatte. Dieser Mann hat mein mehrfaches Nein ignoriert, ich wurde dann aber überraschenderweise ziemlich passiv und sogar kooperativ, weil ich Angst hatte vor seiner Impulsivität und Kälte und mich in der Situation sehr ohnmächtig fühlte.
Einige haben dir ja schon geschrieben, an welche Nummern und Beratungsstellen Du dich wenden kannst. Vielleicht ist eine neue Therapie richtig, wenn du Dich nicht verstanden fühlst in diesem Bereich. Du kannst dich in dieser Situation auch krankschreiben lassen, hauptsache du findest jetzt erstmal die Möglichkeit und den Raum, nur zu tun was Dir gut tut und Dich um Dich zu kümmern!
Ich wünsche Dir viel Kraft und dass du dir Zeit gibst. Du bist stärker als dieser Mann. Pass auf Dich auf!
Liebe Grüße
Miss Misery