Hallo Tim,
erst einmal bewundere ich deinen Mut über solch ein schwieriges Thema an die Öffentlichkeit zu gehen. Nachdem wie Du schreibst, scheint dir die Frau viel zu bedeuten, hast aber auch Ängste, dass es nicht klappen könnte oder Du dich ihr gegenüber falsch verhältst.
Aus eigener Erfahrung, ich wurde von meinem Ex-Partner mehrfach vergewaltigt und er hat sogar auf mir uriniert, weiß ich wie sich deine Freundin fühlt. Ich habe diese Schandtaten verdrängt, weil ich diesen Mann immer noch geliebt habe, nicht die Kraft hatte, mich von ihm zu trennen. Denn "danach" war er wieder sehr aufmerksam und lieb zu mir. Ich habe mir sehr oft die Schuld dafür gegeben, bis ich heute, dank psychologischer Hilfe, weiß, dass nur ER für diese Schandtaten verantwortlich ist. Ich konnte mich niemanden anvertrauen, habe mich geschämt, aus Angst, mir glaubt keiner oder gar Vorwürfen ausgesetzt zu sein. Die Taten sind jetzt 3 Jahre her. Vor einem Jahr habe ich es geschafft, mich von ihm zu trennen und habe ihn angezeigt. Es wird noch ein schwieriger Weg bis zur Verhandlung, aber ich möchte stark sein, all das durchzustehen und endlich wieder ein neues Leben anfangen. Ich kann Dir nur den Tipp geben, deiner Freundin nie das Gefühl zu geben, dass sie Schuld hat, was ihr angetan wurde, dass wenn sie reden möchte, Du ihr einfach zuhörst. Sie muss für sich selbst eintscheiden, ob sie ihren Peiniger anzeigt (nur so kann er bestraft werden) oder sie mit psychologischer Hilfe das alles aufarbeitet. Allein, ohne professionelle Hilfe, schafft man es nicht. Und das hat nichts mit bekloppt sein zu tun oder so. Ich selbst habe eine Zeit gebraucht um zu begreifen, dass ich Hilfe in Anspruch nehmen muss und es war der richtige Weg.Ich dachte erst, ich kann es verdrängen und mich mit anderen Sachen ablenken. Fehlanzeige. Ich wurde immer wieder von den Geschehnissen eingeholt (Alpträume, Schlaflosigkeit, Hilflosigkeit, Schuldgefühle, habe mehr als 10kg Gewicht verloren). Ein Freund kann auch ein guter Begleiter in der Zeit sein, aber er ist eben kein Profi. Der Schmerz des Erlebten wird immer bleiben, soviel weiß ich, aber er wird immer kleiner. Ich kann bis heute keine körperliche Nähe zulassen, habe Ekel vor Intimitäten. Ich denke, dass könnte auch deiner Freundin so gehen. Sex spielt für mich erst einmal keine Rolle. Hier geht es in erster Linie um MICH, und nicht was andere von mir wollen. Verlange oder erwarte nicht von deiner Freundin, dass sie wieder funktionieren soll. Sie wird nie wieder so sein, wie vor der Vergewaltigung. Frag sie ganz sensibel, was SIE möchte, von Dir und der Beziehung, was IHR guttut und entscheide dann, ob Du bereit bist, ihren Weg mitzugehen.
Nur ehrlich sollt ihr miteinander sein. Es wird mit Sicherheit kein einfacher Weg.
Ich hoffe, ich konnte Dir ein bisschen Mut zusprechen. Wenn Du noch etwas auf dem Herzen hast, schreib mir einfach. Alles Gute!
Liebe Grüße
sykn49