Im Herzen
Ich bin 24 und meine Oma starb vor fast genau einem Jahr.
Sie ist die beste Oma , die man sich vorstellen kann. Sie war immer da, ich habe jeden Mittag mit ihr gegessen, sie war fair zu mir, intelligent. Gebildet und vor allem lustig.
Ich kann bis heute nicht begreifen, was da passiert ist.
Als ich nach hause kam, um sie mal wieder an ihrem Krankenbett zu besuchen und meine Eltern in der Tür standen, um mir zu sagen, dass sie in der Nacht verstorben sei, empfand ich es zuerst als große Erleichterung. Erleichterung für sie und vor allem für meine Mutter, die sie die letzten Jahre durch ihre Krankheit begleitet hat und sie zuhause bis zum Schluss gepflegt hat.
Ich konnte kaum weinen, ich musste stark sein für meine Mutter. Ich wollte stark sein.
Wir haben alles erledigt, was zu tun war und auch auf der Beerdigung muss ich wohl wie ein kühler Klotz gewirkt haben. (Im Nachhinein hab ich kaum Erinnerung daran.)
Man lebt einfach weiter, man wird dazu gezwungen.
Die ersten Wochen und Monate war sie so nah noch in meinem Herzen, dass ich sie förmlich neben mir spüren konnte und ich hören konnte, dass sie sagt, dass ich nicht traurig sein soll. (Sie war eine starke Frau, hat selbst nie geweint, nicht einmal in ihrer schwersten Zeit.)
Ich wusste, was SIE an meiner Stelle tun würde, ich wusste was sie erwarten würde, ich habe so viel von ihr gelernt und mit ihr gemeinsam.
Mittlerweile weine ich wie eine ganzes Rudel Hunde, ich kann jetzt weinen. Kann es nicht unterdrücken. Sie fehlt einfach. Ich weiss nicht, was sich mehr wie ein Traum anfühlt: Die Zeit mit ihr zusammen (23Jahre) oder ihr Tod.
Es ist einfach unglaublich.
Wenn ich ins Theater gehe, weiss ich genau, was sie zu dem Stück gesagt hätte. Ich denke jedesmal daran, wie es wäre, wenn sie dabei wäre.
Familienfeiern meide ich. Mit ihr ist auch der Kontakt zu den anderen eingeschlafen. Außerdem würde sie fehlen.
Ich habe das Gefühl, dass sie bei mir ist. Das ist auf der einen Seite schön, aber es macht auch traurig.
Ich bin froh, dass sie nicht mehr leiden muss. Ich bin froh, dass ich all diese schönen Erinnerungen habe, die jetzt so schmerzen.
Andenken materieller Art wollte ich auch behalten, aber die sind so unwichtig im Vergleich zu dem, was sie in mir, meiner Art und meinem Herzen hinterlassen hat. Das kann mir niemand nehmen. Selbst wenn ich Situationen mit ihr vergesse, das Gefühl der Nähe und Liebe kann und wird mir niemals verloren gehen. Sie ist meine Oma und das wird sie bleiben.
Vielleicht passt sie auf mich auf.
Vielleicht werden wir uns irgendwann noch näher sein.