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Forum / Psychologie & Persönlichkeit

Spätflogen von Missbrauch in der Kindheit/Jugend

Letzte Nachricht: 6. Oktober 2021 um 22:21
B
baha_25809839
04.10.21 um 15:20

Hallo an alle,
mich beschäftigt eine Sache sehr und ich würde gerne wissen, was andere (vielleicht auch Betroffene) darüber denken. 
Ich habe als Kind/Jugendliche über mehrere Jahre sex. Gewalt erlebt. Der Täter war nur 2 Jahre älter als ich. 
Ich kämpfe mit vielen Traumafolgen psychisch aber vor allem auch körperlich. Und dabei gibt es zwei Punkte, die ich schwer verstehen bzw. akzeptieren kann. 
Erstens fällt es mir schwer meine PTBS Diagnose ernst zu nehmen weil ich denke, das war alles nicht "so schlimm" wie das was anderen passiert ist, eben weil der Täter kaum älter war als ich. 
Und zweitens verstehe ich nicht warum ich so körperliche Symptome habe wie chronische Unterleibsschmerzen, obwohl es nie zu einer direkten Vergewaltigung kam.
Es fällt mir schwer, mir selbst zuzugestehen, dass das was damals passiert ist heute noch so große Auswirkungen hat und ich vergleiche mich immer mit anderen, von denen ich denke, dass sie besser klar kommen obwohl ihnen etwas schlimmeres passiert ist.
Kennt das jemand?
Und kann mir jemand sagen ob es wirklich sein kann, dass solche Schmerzen mit dem zusammenhängen was damals passiert ist? (Medizinisch ist alles abgeklärt und ok).
Würde mich über Antworten freuen

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S
sisteronthefly
05.10.21 um 9:23

Hallo guten Morgen, 

schrecklich, dass du in deiner Kindheit furchtbare Erfahrungen machen musstest. 
Ich möchte nicht zu sehr auf deine Worte eingehen, daher halte ich mich etwas allgemeiner. Deine Fragen nimmst du bitte mit in eine Traumatherapie. 

Gewalterfahrungen über mehrere Jahre zählen zu den Risikofaktoren, die schwere Traumatisierung zur Folge haben können. Das Alter des Täters spielt dabei keine Rolle. Wenn man versteht, dass ein Trauma nur bruchstückenweise erinnert werden kann bzw. gar nicht, erklärt dies möglicherweise mangelnde Zugeständnisse an die Situation. Verdrängung und Vermeidung sind wichtige, manchmal notwendige Strategien unserer Psyche um uns zu schützen. Bei einem Trauma kommt es zur Erschütterung des Selbst- und des Weltverständnisses. Aufarbeitung ist - therapeutische Arbeit. 

Der Körper reagiert in Stresssituationen mit einer erhöhten Ausschüttung von Cortisol. Dieses Stresshormon wird bei einem Trauma dauerhaft ausgeschüttet. Das macht sich z.B. bemerkbar in Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen aber auch Reizbarkeit oder einer ständigen Unruhe. Manche Menschen können aus diesem Grund keine Zeitung mehr lesen oder nicht mehr fernsehen, sind schreckhaft oder zittern. Das Nervensystem wird also ständig befeuert und kann diverse körperliche Symptome aufweisen.

Manchmal entstehen neben der PTBS zusätzlich Erkrankungen. Die chronischen Unterleibsschmerzen könnte eine somatoforme Schmerzstörung sein. Die Wahrscheinlichkeit eines Auftretens ist bei PTBS auf jeden Fall erhöht, heißt nicht, dass es das auch sein muss. Du erwähnst das medizinisch alles abgeklärt ist. Das kann viel bedeuten. Unter einer medizinischen Abklärung verstehe ich nicht nur einen Frauenarztbesuch. Eine umfangreiche Diagnostik sollte durchgeführt werden, um zu einer gesicherten Diagnose zu gelangen, die letztlich auch Auswirkungen auf die Therapie nimmt. Ich denke zunächst einmal an umfangreiche Labortests, Ultraschall evtl. MRT. Endometriose abklären, Myome und evtl. Vorstellung beim Orthopäden um den Rücken zu untersuchen. 

Schmerzen können manchmal eben auch entstehen durch psychische Belastungen. Hier kann es wirklich sein, dass keine körperliche Ursache die Schmerzen erklären kann. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass ein belastenden Ereignis im Körper umgewandelt wird und eine nachweisbare Erkrankung verursacht. Daher ist wirklich eine sehr genaue Untersuchung notwendig. 

LG Sis


 

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B
baha_25809839
05.10.21 um 14:52

Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
Es ist medizinisch wirklich alles abgeklärt (verschiedene Fachärzte, Sono, CT, Labor...), ohne wesentlichen Befund. 
Für meine Ärzte ist der Trauma Zusammenhang eindeutig, weil die Beschwerden sich verschlimmern nach Albträumen oder Flashbacks. 
Vielleicht will ich es auch einfach nur nicht wahrhaben, dass irgendwie alles immer damit zusammenhängen soll. Ich möchte damit abschließen und nicht immer erinnert werden. 
Aber wahrscheinlich muss ich einfach akzeptieren dass es so ist.
 

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S
sisteronthefly
06.10.21 um 22:21
In Antwort auf baha_25809839

Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
Es ist medizinisch wirklich alles abgeklärt (verschiedene Fachärzte, Sono, CT, Labor...), ohne wesentlichen Befund. 
Für meine Ärzte ist der Trauma Zusammenhang eindeutig, weil die Beschwerden sich verschlimmern nach Albträumen oder Flashbacks. 
Vielleicht will ich es auch einfach nur nicht wahrhaben, dass irgendwie alles immer damit zusammenhängen soll. Ich möchte damit abschließen und nicht immer erinnert werden. 
Aber wahrscheinlich muss ich einfach akzeptieren dass es so ist.
 

Hallo,

OK, Flashbacks und Albträume alles klar. 
Eine Therapie rüttelt natürlich ordentlich an den alten Zusammenhängen. Irgendwann sollten die Albträume und die Erinnerungen aber nachlassen. Das würde ungefähr so aussehen, Vermeidung, Verarbeitung, Akzeptanz. Es gibt Möglichkeiten in der Therapie bestimmte Erinnerungen zu containern, um keine zusätzlichen Beschwerden zu verursachen. 

LG Sis

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