Hallo zusammen,
auf die oben genannte psychische Störung bin ich aufgrund eines Hinweises einer Freundin gekommen und habe mich dann mal näher mit der Symptomatik auseinandergesetzt, konnte zwar einige Übereinstimmungen feststellen, andere Symptome trafen wieder nicht zu. Meine Frage ist jetzt, könnten meine soziale Isolation und die Hemmungen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, mit dieser Krankheit zusammenhängen?
In Gesellschaften werde ich ziemlich nervös, fast panisch, aber nicht, wenn mir die Personen vertraut sind. Ich sehe Frauen nie in die Augen, sonst laufe ich rot an oder schaue so ernst drein, dass man fast Angst vor mir kriegen könnte. Ich glaube, das ist eine Art Schutzmechanismus, ich konzentriere mich affektiv darauf, meine Panik zumindest äußerlich zu verbergen und kann mich infolgedessen nicht mehr normal verhalten. In solchen Momenten sehe ich mich nach gar nichts um, starre Löcher in die Luft, versuche mit vertrauten Personen ins Gespräch zu kommen, alles nur um mich dem weiblichen Blick zu entziehen. Aber auch wenn ich in belebten Fußgängerzonen bin, wo sich vor Eisdielen und Kneipen Gäste tummeln, ihren Vergnügungen nachgehen, kann ich keinen Menschen ansehen, sehe starr nach vorn und beschleunige meinen Schritt, nur um schnell wieder einsame Wege zu finden. Ich habe zwar beruflich mit anderen Menschen zu tun, da ich kaufmännisch tätig bin, aber im Privaten isoliere ich mich, lasse niemanden, außer meinem Bruder oder meiner Schwester, in die Wohnung, gehe selten vor die Tür, vermeide eigentlich jede Gesellschaft. Es ist nicht so, als würde ich mir diese Einsamkeit wünschen, sie frustriert mich.
Um euch ein objektives Urteil zu ermöglichen, werde ich auch ein bisschen von meiner Vergangenheit erzählen, sonst bringt das alles ja eh nichts:
Zunächst wuchs ich bei beiden Elternteilen auf, meine Mutter aber zog bald mit uns (meinem Bruder und mir selbst) von ihm weg, weil sie einerseits nicht mit meiner Großmutter väterlicherseits zurechtkam und mein Vater andererseits keine Anstalten machen wollte, aus seinem Elternhaus auszuziehen. Die räumliche Distanz zwischen meinen geschiedenen Elternteilen betrug etwa 70 km und man verständigte sich insoweit, dass die Kinder wöchentlich zwischen den Eltern pendelten. Meine Mutter, die nach der Scheidung von meinem leiblichen Vater einen anderen Mann kennengelernt hatte, lernte dann bald einen neuen Mann im Griechenland-Urlaub kennen, dem sie bald sehr zugetan war. Mein Stiefvater sah gerne etwas zu tief in die Flasche, wurde bald zum Alkoholiker und gewalttätig. Ein Flüstern zwischen mir und meinem Bruder in den späten Abendstunden wurde stets mit Prügelstrafen unterbunden, meine Mutter war machtlos. Sie war, wie bei allen ihren Männern, finanziell von ihm abhängig und zog es daher vor, sich herauszuhalten. Als mein Stiefvater nach dem Urlaub wieder gewalttätig wurde und dabei auch meine Mutter schlug, rief sie verzweifelt den Mann an, den wir im Urlaub kennengelernt hatten. Dieser riss in der Schweiz alle Zelte ab und machte sich auf den Weg nach Köln. Meine Mutter trennte sich darauf hin mal wieder von ihrem Mann und zog zu diesem "Retter" in die Schweiz, stellte meinen Bruder und mich vor die Wahl, mitzukommen. Wir waren zu jenem Zeitpunkt fünf und sechs Jahre alt und entschieden uns dazu, zu unserem Vater in die Eifel zu ziehen. Die Zeiten, die wir dort erlebten, waren sehr schön, wir fühlten uns pudelwohl und unternahmen viel mit unserer Großmutter und unserem leiblichen Vater. Aber nach etwa sechs Monaten kam er von einem Arztbesuch nach Hause und erklärte, er wolle noch schnell seine Jacke aufhängen, während wir im Wohnzimmer auf ihn warteten. Als er nach zwei Minuten noch nicht zurückkam, sah ich nach und fand ihn bewusstlos auf dem Fußboden im Flur vor, vor sich hin brechend. Später starb er im Krankenhaus, er war 36 Jahre alt. Meine Mutter erfuhr sehr bald davon, kehrte aus der Schweiz zurück und nahm uns wieder auf. Den Schweizer hatte sie dann geheiratet, bald darauf kam meine Schwester zur Welt. Soweit so gut, aber meine Mutter wurde zunehmend gewalttätig, sie litt unter dem frühzeitigen Tod meines leiblichen Vaters, mit dem ein erneutes Zusammenkommen nicht ausgeschlossen war. Heute, sechzehn Jahre später, erzählt sie, dass sie kurz vor seinem Tod wieder zu ihm zurückkehren wollte, wozu es ja nicht mehr gekommen war. Kleinigkeiten nahm sie sehr gerne als Anlass, uns zu schlagen. Das war ein Grinsen, zu spätes Heimkommen (auch wenn es nur Minuten waren), schlechte Schulnoten, das Vergessen, die Zähne zu putzen, Ärger in der Schule, wenn das Zimmer nicht aufgeräumt oder ihr die Musik zu laut war. Irgendwann hatten wir uns dann angewöhnt, sie nicht mehr anzusehen, den Tadel über uns ergehen zu lassen und sahen wir ihr doch einmal ins Gesicht, sah sie darin ein vermeintliches Grinsen, welches sofort bestraft wurde. Manchmal auch mit Gegenständen und Füßen. Immer wenn sie mich zu sich rief, bekam ich panische Angst, positionierte mich in einem gewissen Sicherheitsabstand von ihr, da ich Lob nicht gewöhnt war und immer mit dem schlimmsten rechnete. In der Schule hatte ich aufgrund meines resultierenden geringen Selbstbewusstseins immer sehr wenige Freunde, meistens nur einen oder zwei. Daher verlor ich wohl auch jede soziale Kompetenz, isolierte mich und kümmerte mich nur noch um die Schulaufgaben, aus Angst, bei schlechter Bewertung Schläge zu kassieren. Da damit keine schlechte Mitarbeit oder Benotung in der Schule einhergehen konnte, sah das pädagogische Personal natürlich keinen Grund zur Besorgnis. Gemeinhin werden gute Leistungen ja jenen Schülern zugeschrieben, bei denen das private soziale Umfeld auch angenehm ist. Irgendwann musste meiner Klassenlehrerin aber dennoch etwas aufgefallen sein, denn sie beorderte meine Mutter und mich zum Kinderpsychologen, welche die Wahrheit aufdeckte und meine Mutter schließlich dazu bewegen konnte, nonverbale Gewalt zu unterlassen. Fortan warf sie nur noch mit Schimpfwörtern und anderen Bestrafungen um sich, beispielsweise maßlos überzogener Hausarrest oder Strafschreiben. In meinem Leben bin ich sehr oft umgezogen, oft aber nur regional, sodass Schulwechsel eher selten waren. Meine Mutter schied sich dann nach zehn Jahren wieder von dem Schweizer, der seine leibliche Tochter für sich nahm und meinen Bruder und mich bei meiner Mutter ließ. Sie hatte wieder einen neuen Mann kennengelernt, im Haus bekannt als Moorleiche, womit metaphorisch die Altersdiskrepanz zwischen ihnen verwiesen wurde. Diese betrug 24 Jahre. Als jener dann aber mehrere Schlaganfälle erlitten hatte, wurde er für meine Mutter zunehmend zur Belastung und entschied sich dafür, ihn in die Obhut eines Alterswohnheims zu überstellen. Auch von ihm ließ sie sich wieder scheiden. Heute lebt sie mit einem Belgier zusammen, die Hochzeit (o Wunder) steht in Kürze an. Zunächst aber zu meinem Auszug aus dem Elternhaus: Nachdem ich die schulische Laufbahn nach der elften Klasse (mit Versetzung in die zwölfte) aus Unlust oder Angst beendet hatte, ging ich zur Bundeswehr und leistete meinen GWD. Anschließend war ich eine Zeit lang arbeitslos, nahm Gelegenheitsjobs an, in der Gastronomie und bei einem Personaldienstleister. Das Einkommen war schlecht, mein Erbe verbraten, da meine Mutter mich ausgenommen hatte wie eine Weihnachtsgans. Insgesamt schuldet sie mir über 35000 EUR, lebt aber von Arbeitslosengeld2, weil sie nichts gelernt hat und schon lange nicht mehr beruflich tätig war. Auf die Erstattung muss ich wohl verzichten, da kein entsprechender Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, ich hatte ihr vertraut. Närrisch, ich weiß. Aber darum geht es hier ja nicht. Die finanzielle Situation und die Hoffnungslosigkeit verursachten schließlich einen Nervenzusammenbrch bei meiner Mutter, sie wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. In dieser Zeit waren mein Bruder und ich allein, hatten kaum Geld, schoben Tag für Tag Hunger und rauchten (wir sind beide Raucher), das was auf dem Boden lag, diese Tabakreste kehrten wir zusammen, stopften es zurecht und rauchten es. Kratzig, aber es deckte den Nikotinbedarf... Ein paar Monate später wurde meine Mutter nach ihrer Genesung entlassen, besser wurde die Situation aber nicht. Ich arbeitete wie gesagt für einen Personaldienstleister und musste monatlich 450 EUR abdrücken. Mein variables Einkommen war in einem Monat sehr gering, Rechnungen, die ich hätte begleichen müssen, hätte ich zurückstellen müssen, wenn ich meiner Mutter den vereinbarten Betrag ausgezahlt hätte. Es entbrannte ein Streit, als ich ihr nur 400 EUR angeboten hatte und sie setzte mich in der Nacht vor die Tür. Das war vor zwei Jahren. Vorübergehend kam ich bei meiner kleinen Schwester und ihrem leiblichen Vater unter. Ich arbeitete weiter, suchte mir eine eigene Wohnung und beantragte Leistungen von der ARGE, da ein Auskommen alleine von meinem Lohn nicht möglich war. Innerhalb einer Woche fand ich eine Wohnung, arrangierte den Umzug, nahm mir nicht einmal einen Tag frei, erbrachte Leistung, die von meinem Chef hoch gelobt wurde. Schließlich wurde ich aber doch mangels Aufträgen entlassen und war wieder arbeitslos. Ich nahm keine Stelle mehr an, wollte mich nicht mehr ausbeuten lassen und suchte akribisch nach einem Ausbildungsplatz. Ich erfuhr von einem Programm, das sich Einstiegsqualifizierung nennt, gedacht vorwiegend für jene Jugendliche mit Migrantionshintergrund, Jugendliche ohne Schulabschluss oder welche, die bis zum Oktober eines Jahres nichts gefunden haben. Letzteres traf bei mir zu. Es soll in ein Ausbildungsverhältnis münden, kann aber ebenso mit Auslaufen des Vertrages beendet werden. Die Tätigkeiten unterscheiden sich von denen, die Auszubildende verüben, überhaupt nicht. Man besucht die Berufsschule, nimmt alle Tätigkeiten im Betrieb wahr, die auch Azubis ausführen würden. Aber die Bezahlung ist sehr schlecht. Jedenfalls stehe ich jetzt kurz vor der Übernahme in ein Ausbildungsverhältnis, bin auch recht zuversichtlich, übernommen zu werden. Meine schulischen Leistungen könnten gar nicht besser sein, es sei denn, es gibt etwas besseres, als eine Eins in jedem Fach und dazu besonderes Lob für Engagement. Grundsätzlich muss ich mehr Leistung erbringen, als ein Auszubildender, schließlich will ich übernommen werden. Aber nach der Ausbildung werde ich kündigen, die FOR für Wirtschaft besuchen und das Abitur fertigstellen. Danach will ich Germanistik studieren, ob auf Lehramt oder nicht, das klärt sich dann.
Das soziale Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, war nicht gerade förderlich für ein starkes Selbstbewusstsein oder soziale Kompetenzen. Man könnte es als Slams oder Gettos bezeichnen. Wenn ich dort einem Wegelagerer oder Passanten in die Augen blickte, wurde es gleich als Beleidigung empfunden, sodass die Situationen in verbale oder auch nonverbale Gewalt ausuferten. Man gewöhnt es sich an, Menschen niemals direkt anzuschauen, zumindest wenn man kein Muskelberg oder gesuchter Straftäter ist. Dass ich nie Kontakt zu Frauen, bzw. Mädchen hatte, muss wohl nicht sonderlich erwähnt werden, auch wenn ich immer davon geträumt hatte. Ich bin nicht selbstbewusst genug, auf Frauen zuzugehen und mache wohl auch nicht den Eindruck einer Person, bei der sich ein zweiter Blick lohnt.
Nun, so viel zu meiner Vergangenheit und meiner derzeitigen Verfassung. Könnte es sich wirklich um eine soziale Phobie handeln? Ich würde mich sehr über Antworten freuen und bedanke mich im Voraus dafür und für das aufmerksame Lesen.
Gruß
David