Ich rede auch aus Erfahrung
ich habe das 6 mal durchgemacht. Geschenkt wurde mir da nichts, ich habe mich aus der Depression *gekämpft*. Ich weiss, dass sie wieder kommen wird - Voraussichtlich in 1 1/4 Jahren (alle 3 Jahre in etwa), früher, wenn ich Pech habe. Auch dann wird es mir nicht geschenkt werden, ich werde mich wieder heraus kämpfen müssen.
Wie kommen die Hinterbliebenen dazu, für mich zu entscheiden, wie viel Kampf mir MEIN Leben wert ist? Ist es nicht eher selbstsüchtig von den Hinterbliebenen, einen ANDEREN um sein Leben kämpfen zu lassen, damit SIE nicht leiden müssen, wenn ich nicht mehr da bin? Schön, im besten Falle unterstützen sie mich dabei, aber dass ich jemandem bei etwas helfe, gibt mir keine Entscheidungsgewalt - zumindest nicht so, wie ich "helfen" definiere.
Du hast das "mal" mitgemacht schreibst Du.
Nun, ich hatte 15 JAHRE, wo ich beruflich und privat alles verloren habe. Wieder hochgekämpft, wieder verloren. Über Jahre mit jedem verdammten Strohhalm neu abgesoffen, jede einzelne Hoffnung wieder in Scherben sehen müssen. Darin 6 depressive Phasen mit massiver Todessehnsucht. Ständig Gefühle, die stärker waren, als ich sie ertragen konnte, bis ich alles nur noch betäuben wollte und mir die Haut in Fetzen gerissen habe.
Ja, ich lebe trotzdem noch.
Aber ganz sicher werde ich in meinem Leben nie wieder jemanden verurteilen, der für sich eine andere Entscheidung trifft. Egal wie nichtig mir seine Gründe auch erscheinen mögen. Denn ich weiss eines sicher: was ich erlebt habe, erschien vielen anderen auch nichtig.
Aber ganz sicher werde ich jeden verurteilen, der meint, diese Entscheidung für andere treffen zu müssen.
Ja, man sieht das Thema in einer Depression anders, überzogen. Danke für den Hinweis, aber das hatte ich doch selbst schon geschrieben.
Ich blocke in so einer Situation jeden Kontakt zu anderen, das macht es sonst für mich noch schlimmer.
Aber ja, ich habe auch schon einen Freund durch solche Phasen begleitet.
Ja, auch mehrfach. Ich sehe es trotzdem als sein Recht, seine Entscheidung an, auch wenn er einer von 3 Menschen ist, die ich in den 37 Jahren meines Lebens jemals als meinen Freund bezeichnet habe. Auch wenn er mir so nahe steht, wie mir ein Mensch nur stehen kann und mich das wahnsinnig schmerzen würde. Weil ich ihm helfe, wenn er Hilfe braucht, aber niemals über sein Leben entscheiden würde, auch nicht, indem ich seine Entscheidungen verurteile und sie ihm nötigenfalls posthum als selbstsüchtig vorhalte.
Ja, ich lebe noch. Ja, im Moment führe ich ein Leben, was ich gern führe. Aber es ist mir nicht geschenkt. Ich muss meine Wahrnehmung, meine Gefühle kontrollieren und überwachen - ggf. ändern. Immer. Ständig. Sonst bricht mir wieder alles weg, was ich habe. Wovor ich im Übrigen eine ziemlich üble Angst habe. Was mich auch verändert hat. Nicht nur die Angst, noch ein mal alles zu verlieren, auch das, was ich bis heute erlebt habe. Das ist ganz bestimmt nicht "geschenkt", das ist Kampf. Es ging mir nicht darum, das Verlorene zurückzuholen. Es geht um jeden NEUEN Tag für mich.
Der Weg aus einer Depression geht nicht "von allein" - oder war es bei Dir so? Nein, gewiss nicht, Du hast etwas dafür getan. Hast Dich geändert, Deine Sicht auf Dich, Deine Sicht auf Dein Leben. Das ist nicht geschenkt, das ist erarbeitet. Das meine ich mit "unter den Tisch kehren".
Es ging nicht um das Verlorene sondern darum, dass man das neue erarbeiten muss, nicht geschenkt kriegt. Man tut etwas dafür. Nicht eben wenig, nicht eben leicht. Auch dafür zahlt die Umgebung ihren Preis. Du kämpfst für Deinen Freund - er kämpft aber auch. Das ist doch kein "Geschenk", das ist bestenfalls "Lohn". Den man für die Arbeit angemessen finden kann - oder eben auch nicht.
Nein, ich finde nicht, dass die Hinterbliebenen irgendwie darüber entscheiden sollten, ob sich das jemand erarbeiten möchte und sollte - oder nicht. Auch nicht implizit, indem sie demjenigen dessen Entscheidung vorwerfen.
Wieviele Menschen auf dieser Welt ändern sich freiwillig? Auch wenn sie etwas stört, sagen wir - "sie verlieben sich immer in die falschen" und sind damit unglücklich. Wie viele ändern sich? 5%, der Rest hat es einfacher, unglücklich zu sein, als in den Spiegel zu sehen und sich zu ändern. So hoch ist der Preis, dass ihn 95% nicht zahlen, so lange sie nicht alternativlos müssen. Auch wenn sie dafür schmerzhaft unglücklich sind.