Zuerst einmal meine Geschichte:
Ich bin ein Scheidungskind. Als ich 10 Jahre alt war, kam meine Mutter nach Hause und meinte "packt eure Sachen, wir ziehen aus". Niemand hat mich gefragt, wo ich leben möchte, ich wurde einfach "mitgenommen" Meine Eltern stritten viel, das ist so ziemlich das einzige, was mir aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben ist... Kaum ausgezogen, hatte meine Mutter Besuch von einem alten Bekannten, dem besten (!) Freund meines Vaters. Das ging ein paar Wochen so bis sie meiner Schwester (ein Jahr jünger) und mir eröffnete, sie sei schwanger. Plötzlich waren wir zu fünft, manchmal noch zu sechst, wenn der Sohn meines neuen "Vaters" zu Besuch war. Ich bin die älteste von uns Kindern und meine daher auch, damals am Meisten mitbekommen zu haben. Das ist auch der Grund, wieso ich heute noch so sehr nach meinen beiden Schwestern schaue und immer das Gefühl habe, mich um sie kümmern zu müssen. Weil ich die älteste bin und am meisten mitbekommen habe. Auch wenn Erwachsene immer denken, Kinder würden das garnicht verstehen, was da abläuft. Ich habe mich von Anfang an nicht mit meinem Stiefvater verstanden und wurde von diesem auch von Anfang an nicht akzeptiert. Anders hingegen meine Schwester.
Ich bin mittlerweile 22 Jahre alt, meine Schwester 21 und die kleine Nachzüglerin ist 11. Auch wenn sie "nur" meine Halbschwester ist, ist sie für mich meine Schwester. Für ihren Vater kann sie nichts ;-) Wir zwei "großen" sind beide schon mit 19 von Zuhause ausgezogen weil es unter einem Dach mit dem Stiefvater nicht mehr auszuhalten war und unsere Mutter war zu sehr mit sich selber beschäftigt, um nach uns zu sehen. Denn nach kurzer Zeit hatte auch sie erkannt, dass ihr neuer Mann nicht so war, wie er durch die rosarote Brille vielleicht aussah. Den Mut, ihn zu verlassen, hatte sie bis heute nicht.
Nun ja, so viel mal zu meiner groben Vorgeschichte. Jetzt das eigentliche Problem:
Ich habe den Eindruck, dass ich beziehungsunfähig bin. Ich habe große Verlustängste, wenn ich jemanden mal an mich heran lasse, kann ich ihn nicht mehr loslassen. Momentan wird das sehr deutlich dadurch, dass ich mich zwischen zwei Männern nicht entscheiden kann und niemanden loslassen möchte.
Und ansonsten wird mir gern von Freunden oder Familienmitgliedern nachgesagt, ich sei sehr kalt nach außen und könne mich nicht öffnen. Das stimmt auch leider. Ich habe ein sehr großes Problem damit, über Probleme oder Gefühle zu sprechen. Wenn ich das dann doch mal muss, bin ich so überwältigt von meinen Gefühlen und der Überwindung, die es mich kostet, dass ich nur noch am Weinen bin. Sachlich darüber reden geht absolut nicht.
Nach außen hin lasse ich mir davon nichts anmerken. Ich gebe zu, dass ich gerne den Eindruck vermittle, sehr kontrolliert über mich und andere Dinge zu sein. Ich bin mit 19 Jahren, also direkt nach der Ausbildung, Chefsekretärin in einem Unternehmen geworden, was wohl meinen Charakter zusätzlich unterstreicht. Ich habe gern die Kontrolle und das Sagen. Ebenso im Privatleben, womit bisher wenige Männer klar gekommen sind.
Alle Ängste und Sorgen spielen sich meist nur in meinem Kopf ab, weil ich es einfach nicht schaffe, sie auszusprechen.
Andersrum fällt es mir auch sehr schwer, jemandem zu sagen, dass ich ihn mag. Es zu zeigen ist kein Problem aber ich bringe es nicht über die Lippen.
Nun stelle ich mir die Frage, haben alle diese "Macken" ihren Ursprung in meiner Kindheit? Stimmt das Vorurteil, dass viele Scheidungskinder einen "Knacks" haben? Und könnt ihr mir vielleicht sagen, ob ich es doch einmal wagen sollte, mir Hilfe zu suchen um besser durchs Leben zu kommen?