Hey
Danke, ich finde Du verhälst dich absolut großartig in dieser Situation, so weit ich das beurteilen kann. Damit bist Du einer jener Männer, denen Frauen wie deine Freundin auch in solchen Geschichten vertrauen können - das weiß sie, daher hat sie dir diese Geschichte auch erzählt.
Jetzt kommt der harte Part: Wie zentral kann diese Thematik in eurer Beziehung sein, ohne dass sie die Beziehung belastet?
Ich selbst war 8 Jahre lang mit ner Frau zusammen (auch verheiratet), die in dieser Zeit bulimisch war. Es war immer gegenwärtig, es hatte sich im Grunde erst gegen Ende der Beziehung entspannt (ironischerweise). Ich konnte ihr nicht wirklich helfen, und das hat auch mich sehr belastet.
Ich sage das, weil ich glaube dass Du ein Ehrenmann bist. Du wirst der Dame viel Raum und Zeit geben, wirst liebevoll mit ihr umgehen, egal wie krass sie sich wegen dieser Geschichte auch mal verhalten sollte (Abweisung, Abgrenzung, emotionale Ausbrüche). Das kann dir weh tun.
Andererseits: Hey, mir hat die Erfahrung sicherlich viel gebracht. Ich bin froh, dass es ihr inzwischen gut geht, wenn auch nicht mehr mit mir.
Die nächste Frage wäre dann auch, wie sehr Du Ansprechpartner für sie in dieser Sache sein willst. Natürlich willst Du versuchen, immer verständnisvoll zu sein, fast ein Therapeuthenersatz. Hier wird 's aber gefährlich, weil dich das eben ziemlich belasten könnte.
Andererseits wäre es ja auch viel zu billig, sich selbst als Partner damit nicht mehr auseinander zu setzen und sie zu ner Therapie zu schicken. (Kann sie natürlich trotzdem machen, wenn sie es versuchen möchte. Man darf aber dennoch nicht immer zu viel Hoffnung in eine Psychotherapie setzen, aber womöglich wäre diese Gesprächstherapie schon für sie von Nutzen)
Sehe es so: Du kannst nicht viel falsch machen. Bleib der nette Typ, der Du offenbar eh schon bist. Das alleine wird ihr schon helfen, glaube ich. Wenn sie darüber reden möchte (und das sollte sie), dann versuche es zu verstehen. Vielleicht brauch sie auch einfach mal eine Umarmung oder eben Distanz, in manchen Momenten.
Was ich ihr raten würde: Diese Sache auch gefühlsmäßig zu konfrontieren. Natürlich war die Vergewaltigung nicht ihre Schuld, natürlich wurde ihr dabei nichts genommen, natürlich muss sie sich nicht dafür schämen, denn sie wurde Opfer von sexueller Gewalt, die leider sehr sehr alltäglich ist und medial viel zu wenig thematisiert wird. Wir leben in einer "Rapeculture", die die Frauen oft hilflos zurück lässt.
Sie versucht es natürlich mit einem harten Schild zu verdecken. Aber das ist okay, das machen wir schließlich alle irgendwie. Toll finde ich tatsächlich, dass sie sich dir schon so früh anvertraut hat. Das heißt, sie will sich damit auseinander setzen. Denn es gibt nichts verheerenderes, als so eine Thematik zu ignorieren, zu überspielen oder einfach in sich hinein zu fressen. Das Unterbewusstsein will den Schmerz der Erfahrung verstehen. Das wird leider noch viel zu sehr unterschätzt. Viele die es unterdrücken leiden später unter psychosomatischen Beschwerden oder Krankheiten.
Aber ich glaube tatsächlich, dass es bei ihr nicht so weit kommen wird.
Wichtig ist in meinen Augen einfach, dass Du sie entscheiden lässt, wie sehr sie sich damit befassen möchte. Du leihst ihr dein Ohr, dein Herz, deine Arme. Wenn Du dich so öffnest, wird sie es ohnehin tun. Viel mehr kannst Du vermutlich auch gar nicht machen. Dränge sie nirgends hinein, weise sie nicht von dir und nehm sie auch nicht in Besitz. Die Tendenzen dazu haben wir Männer in einer verrückten Welt wie dieser leider schnell mal unbewusst.
Aber mal unter uns: Manchmal hab ich den Wunsch, mir diese Typen zu krallen, die den Damen Albträume und jahrelange Beklemmung im Sexleben bereiten. Ich hab einfach den tiefen Wunsch, dass die es - wo sie schon einmal davongekommen sind - nicht noch anderen Frauen antun. Verstehst Du, was ich meine?
Peace, Kumpel. Schreib mir, wenn ich helfen kann.
Patrick