Das ist meine Geschichte (sehr lang, aber wirklich komplex):
Als ich 12 Jahre alt war, hat mein damals 18-jähriger Bruder versucht mich zu vergewaltigen. Mir ist es gelungen, mich loszureißen und wegzurennen. Ich habe meiner Mutter davon erzählt, sie war entsetzt, stand aber zwischen zwei ihrer Kinder. Sie drohte ihm, dass er ausziehen müsse, wenn so etwas nochmals vorkommen sollte.
Ein paar Monate später erzählte mir meine 3 Jahre ältere Schwester unter Tränen, dass sie schon mehrfach von unserem Bruder vergewaltigt wurde.
Ich war schockiert, sie tat mir so leid, aber ich war noch ein Kind und wusste nicht, wie ich ihr helfen könnte. Ich musste ihr versprechen, es für mich zu behalten.
So kam es, dass jahrelang kein Wort mehr über diese Sache verloren wurde. Die Familie hat weiter unter einem Dach gelebt, als wäre nie etwas passiert. Ich weiß nicht, ob meine Schwester danach noch mal von unserem Bruder angefasst wurde.
Ein paar Jahre später wurde mein Bruder angeklagt, eine Frau vergewaltigt zu haben. Ich hab sofort gewusst, dass es stimmt und gehofft, dass er endlich dafür bestraft wird. Stattdessen wurde er vor dem Gericht freigesprochen.
Heute bin ich 26 Jahre und die Geschichte lässt mich aus drei Gründen nicht los.
Ich selbst habe das meiner Meinung nach recht gut verkraftet, aber ich weiß, dass meine Schwester sehr gelitten hat und vielleicht noch immer darunter leidet. Ich habe so ein schlechtes Gewissen, weil ich nichts für sie getan habe.
Zudem kommt meine unbeschreibliche Wut darüber, dass dies keinerlei Konsequenzen für meinen Bruder hatte. Er wird überall als lieber und netter Kerl gesehen.
Und meine größte Sorge gilt meiner Nichte. Mein Bruder hat mittlerweile eine 3-jährige Tochter. Er lebt zwar von der Frau und dem Kind getrennt, aber ich mag mir nicht ausmalen, was passiert, wenn sie ihn besucht.
Ich könnte mir nie verzeihen, wenn dem Kind das gleiche widerfährt wie uns. Aber was kann ich tun? Alles nach Jahren wieder aufwärmen? Mich gegen meine Schwester stellen und ihr Geheimnis preisgeben? Meine Mutter und meine ganze Familie würden daran zerbrechen. Ich bin einfach zu feige dazu!