Verspätete Antwort.
Ich habe mir viel Zeit genommen, das alles geistig zu durchdringen und hoffe jetzt mit einer angemessenen Antwort kommen zu können.
"Du hast keine allzu hohe Meinung von dir selbst. Dein exzellentes Abi erwähnst du zwar, aber du bist dir bereits im Klaren darüber, dass es im Zwischenmenschlichen um mehr geht als nur um die sozioökonomische Rolle in der Gesellschaft. (WOW, toller Satz von mir!!!)
Woran das liegt, liegt wahrscheinlich zu einem gewissen Teil in der Art und Weise, wie deine Eltern mit dir umgesprungen sind. "
Stilistisch schön ja... Wie soll ich die schon haben. Ich verbringe mein Leben überwiegend allein und war bis vor einem Jahr auch nie unzufrieden. Ich sehe nur wie alle um mich herum ihr Leben gestalten, reisen, sich verloben, feiern gehen und ihre jugendliche Unverbindlichkeit genießen. Ich beneide sie darum, andererseits reizt es mich auch nicht. Ich habe nie eine große Dynamik in meinem Leben gehabt und fühle mich statischen Verhältnissen besser zurecht. Ich war nie spontan, auch schon als Kleinkind nicht. Ich meide laute, grelle Plätze, weil ich mit dieser Reizüberflutung nur unter Alkohol klarkomme. Mein Abi ist so ein Thema. Ich habe praktisch nichts dafür getan und bei der Verkündung der Ergebnisse war ich eher ernüchtert, was manche meiner Lehrer stutzig machte. Andere feierten, jubelten und ich nahm die Zahl entgegen, die für mich nur unwesentlich mehr bedeutete als andere Zahlen auch. Ich fand es aber toll, alle Möglichkeiten für mich offen halten zu können. Meine Eltern waren eigentlich immer sehr liebevoll. Ich kenne Dutzende Eltern, denen ihre Kinder egal sind, meine Eltern haben für mich immer ihr letztes Hemd gegeben.
"Und das ist schon der erste Hinweis darauf WIE deine Eltern mit dir umgesprungen sind. Wer sich in seiner Freizeit selbst genügt hat schon früh aufgegeben, von anderen Menschen Aufmerksamkeit und Zuneigung zu bekommen, da man sehr früh bemerkt hat, dass man sich auf den Kopf stellen kann wie man will: man bekommt sie sowieso nicht.
Egal was du gemacht hast, du bist wahrscheinlich so gut wie gar nicht mit Lob und Anerkennung bedacht worden. Wenn die Ausbeute so mager ist, dann stellt man früher oder später gemäß der internen Kosten-Nutzen-Rechnung jedwede Bemühungen ein.
Ab diesem Moment reduziert sich die Interaktion mit anderen Menschen natürlich nur noch auf das, was an Anerkennung und Lob von DIR aus in DEREN Richtung fließen soll.. Das ist die einzige Richtung, die jetzt noch übrig bleibt, und in dir vielleicht ein Gefühl des "Ungerecht behandelt werdens" auslöst: "
Meine Eltern sind mit mir immer sehr liebevoll umgangen und waren nie uninteressiert, obgleich sie mich häufig nicht verstanden haben. Früher hatte ich viele Freunde, alles änderte sich als ich 10 Jahre alt wurde. Mein bis dahin bester Freund hat mich damals fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel und was folgte, war eine Zeit, die ich als meine intelektuelle Renaissance beschreiben würde. Ich wuchs geistig so rapide, dass ich alle meine Freunde auf der Strecke ließ. Ich interessierte mich für die Gesellschaft, Politik, Naturwissenschaften und brachte mir sogar das Programmieren bei. Meine Altersgenossen gingen mir auf den Sack, die wollten immer Fußball spielen oder Lego bauen oder weiß der Geier was noch. Das langweilte mich zutiefst und so kapselte ich mich ab, bis ich dachte, es wäre Zeit wieder neue Kontakte zu knüpfen. Doch man schloss mich immer aus, denn ich artikulierte mich wie ein Oberstüfler. In dieser Zeit begann ich meine Maske zu errichten: Ich webte "Alter" in meinen Sprachfluss ein und vermied forthin exotische Worte oder grammatikalische Konstruktionen mit Konjunktiv und all zu vielen Nebensätzen. Von da an wurde es besser, was meine Akzeptanz anging.
"Das ist zwar technisch richtig, und auch wenn du in der Vergangenheit deine Gründe hattest, unfair gegenüber allen Menschen die du kennengelernt hast NACHDEM du den Fluss von Wärme in deine Richtung gekappt hast, um nicht von ihm abhängig zu sein. De facto ist das nämlich die einzige Rolle, die andere Menschen überhaupt noch einnehmen können, denn in andere Rollen bist du gegenwärtig nicht bereit, sie EINTRETEN zu lassen.
Das wirst du früher oder später rückgängig machen müssen, denn eine lieblose Existenz ist auf Dauer nicht zu ertragen."
Ich bin sehr schleichend das kalte ... geworden, dass ich heute bin. Es wurde für mich immer schwerer positive Gefühle auszudrücken, aber zumindest bei den negativen gelingt es mir exzellent. Ich wurde emotional immer autarker, immer weniger fremdbestimmt. Ich baute mir nach und nach mein Selbstbewusstsein wieder auf, legte Alpha-Tier-Attitüden an den Tag und seit dem traut sich keiner mehr irgendwelche Sprüche gegen mich zu bringen. Irgendwann dachte ich dann, so jetzt kannst du Freunde haben, aber ich irrte mich. Ich fühlte mich in Anwesenheit anderer unwohler als allein und jede Interaktion schlauchte mich, wie andere vllt eine anstrengende Hausaufgabe schlaucht.
"Es wird sich auch nicht einfach so ändern, da du eine Änderung durch deine gegenwärtige Einstellung nachhaltig blockierst. Dafür hast du deine Gründe, aber dadurch nagelst du deinen Hintern gewissermaßen am Hochsitz fest. Im Moment ist die Tasache, dass es sich nicht ändern wird, direkte Folge der Tatsache, dass du dir weitere Enttäuschungen ersparen willst. "
Das ist mir bewusst. Wenn ich nicht mit meinem Latein am Ende wäre, würde ich nicht gerade diesen Text verfassen.
"Natürlich nicht. Aber nur mit der Maske, und zwar exakt solange du nicht wirklich Interesse hast, und bereit bist hinter dieser hervorzutreten und als DU SELBST in Erscheinung zu treten, oder?"
Wirkliches Interesse kann ich von falschem schlecht unterscheiden. Warum? Weil ich mich das ein oder andere Mal dabei erwischt habe, Verliebtheit gegenüber einer Idealvorstellung mit der Verliebtheit in eine Person zu verwechseln. Ich weiß auch nicht mehr, wie viel der Maske ich selbst bin und wie viel davon künstlich erzeugt wurde. Ich weiß nicht wofür mich mein Umfeld schätzt und was davon eigentlich ich bin.
"Ich mag dich, Kumpel :D Auch wenn du glaubst auf deinen Text hin würde dir erstmal massiv Kritik ob deiner unschönen Bekundungen entgegenbrettern, du bist nämlich bereit diesen Preis zu zahlen, solange dir nur endlich Erkenntnisse zuteil werden, die dich selbst betreffen und auch dich selbst weiter bringen. Das muss ich ehrlich respektieren. Ich hoffe andere tun das auch ;)"
Mir ist das scheißegal, was Menschen mir an Scheiße im Netz ob dieser Aussagen entgegenschmettern und wenn es auch nur der viel zu naive und doch gut gemeinte Ratschlag ist, ich solle doch einfach Freunde finden. Ich bin gewohnt in gewissen Dingen nicht verstanden zu werden und weiß, dass vielen Menschen die nötige Differenziertheit fehlt, um den Gedanken zu führen, dass nicht jeder so fühlt und denkt wie sie selbst. Ich glaube da bist du einer der wenigen, der mich versteht.
"Und das könnte sich ironischerweise als ein Problem erweisen. Es gibt Probleme im Leben, die lassen sich nicht durch geistige Bearbeitung aus der Welt schaffen. Glaub mir, ich hab selber Abi, abgeschlossenes Mathematikstudium und galt immer als intelligent, und genau dieser Ansatz hat mich mehr Zeit gekostet als alles andere: Die Vorstellung, man könnte sich durch Intelligenz, psychologisches Wissen und differenziertes Denkvermögen seelische Probleme ersparen, elegant umschiffen und gleich auf der Sonnenseite des Lebens weilen."
Zufall: Ich studiere das auch... Ehrlich gesagt ist es aber für mich die einzige Möglichkeit mit Erfahrungen umzugehen: Sie geistig zu durchdringen. Mein Gefühlsleben funktioniert einfach zu schlecht, als dass es irgendetwas sinnvolles beitragen könnte.
Wenn dich irgendwas in dieser Sache weiterbringen wird, dann nur die Bereitschaft, erneut Risiken einzugehen und zu riskieren damit voll auf der Schnauze zu landen. Wenn es irgendeine Schlussfolgerung gab, die mir überhaupt nicht gepasst hat, und die ich unbedingt durch Analyse umgehen wollte, dann diese.
Was einem wirklich weiterbringt ist nicht die Fähigkeit, sich Niederlagen und Enttäuschungen zu ersparen. Egal wie groß diese Fähigkeit ist, sie wird NIE groß genug sein um die Angst vor dem zu betäuben, was sein wird, wenn es einem mal NICHT gelingen sollte.
Diese Angst wird einen immer im Griff haben, so ist die menschliche Natur. Egal wie positiv man denken möchte, letztlich zieht die Angst die Aufmerksamkeit immer auf sich wie ein Magnet.
Erst wenn man sich selbst erlebt hat als jemand, der auch mit Niederlagen umgehen kann wird diese Angst verschwinden, bis dahin wird einem sämtliche Intelligenz und sämtliches Wissen nicht helfen.
Mit Niederlagen kann ich nur schlecht umgehen, da ich sie praktisch nie erlebt hat. Zum einen, weil ich diese vermieden habe, zum anderen aufgrund meiner Begabungen. Auf Niederlagen reagiere ich in der Regel mit einem starken Selbsthass, der teils auch autoagressiv sein kann. Wie oft habe ich schon aus reiner Stressbewältigung herzhaft gegen eine Wand oder eine Tür geschlagen? Jede Niederlage ist wie einen Tod zu sterben, nur innerlich.
Vielen Dank nochmal für die einzige sinvolle Antwort die ich bisher hier bekommen habe. Das bedeutet mir viel :)