kaleb_12765002Das kann ich Dir so pauschal auch nicht sagen...
... ich kenne sie nicht, ich kenne Dich nicht und ich kenne Euer Verhältnis zueinander nicht... und selbst wenn ich das kennen würde, wäre es fraglich, ob ich urteilen könnte - und sollte.
Ich kann es aus meiner Sicht erzählen (bin Borderlinerin)...
Es ist die Sache die: wir kennen das nicht anders. Also ich war schon als Kind irgendwie anders, in der Pubertät wurde es wirklich übel und später noch mehr und natürlich wusste ich, dass andere nicht den Wunsch haben, sich selbst zu verletzten - und dass es sie vermutlich nicht beruhigen würde, würden sie es denn tun.
Ich habe schmerzlich gelernt, dass andere in etwas, was mir völlig den Boden unter den Füssen wegziehen kann, oft beim besten Willen nicht das geringste Problem entdecken können.
Aber für mich selbst war das "normal".
Selbstverletzung hat bei mir als Teenager angefangen - habe ich verborgen, ich dachte ich bin der einzige Mensch, der so etwas tut (heute weiss ich, wie sehr ich damit im Irrtum war) - mich haben Situationen / Ereignisse / Momente fast zerrissen (und solche Situationen gibt es heute noch, das sind die "Trigger" von denen Du sicher dann auch gelesen hats und die Erinnerung an diese Ereignisse in der Vergangenheit ist auch heute noch brutal - gerade Weihnachten gibt es da einen ganzen Sack voll Erinnerungen, die einfach nur brachial schmerzhaft sind - ohne dass sie für andere irgend eine nennenswerte Bedeutung hätten) usw... aber für mich war das eher ein "ich kann mich nicht beherrschen, ich lasse mich zu sehr gehen" u.ä. als ein "ich bin krank".
Danach ging es einige Zeit fast symptomfrei. Dann habe ich angefangen zu arbeiten und dann ging gar nichts mehr. Ich war ständig krank (also psychosomatisch meine ich), immer erschöpft, dazwischen ein paar kurze "Highs" (die meisten von uns fahren fast ständig irgewndwie Achterbahn) und danach tiefer Fall. War für mich immer noch ein "musst Dich nur mal zusammen reissen, bist nur zu blöd für Beziehungen (hatte selten etwas, was überhaupt über Affären hinaus ging und wenn, dann hat es mich und ihn natürlich aufgerieben) und zu faul zum Arbeiten" - als Krankheit habe ich es nie gesehen, nicht bis ich mit Erinnerungslücke von mehreren Stunden und völligem Zusammenbruch in der Notaufnahme im Krankenhaus gelandet bin - denn es war ja irgendwie immer so.
Dann kommt so eine Diagnose und die stellt einen selbst komplett in Frage. Also es war (und ist für einige Zeiten immer noch) eine ganz private Hölle, in der ich gelebt habe und in die ich ab und zu wieder falle - aber eben die einzige Welt, die ich kannte. Ich wollte bestimmt nicht so weiter leben, plötzlich gab es Hoffnung, dass mein Leben sich ändern kann, dass es nicht so sein muss.
Gut - aber was heisst das? Es stellt *alles* in Frage. Alles. Wenn man körperliche Schmerzen hat, kann man das von der eigenen Person ohne jedes Problem trennen, bei einer psych. Krankheit nicht. Das heisst ja nicht von ungefähr "Persönlichkeitsstörung" - man es nicht trennen. In diesem Moment stellt man die gesamte Person in Frage - weisst Du, was ich meine? Man kann nicht mehr unterscheiden.. Was bin ich und was ist krank? Was "darf" ich sein, wie "darf" ich empfinden - was muss ich ändern? Ist es mein Recht, Nähe nur "unter Auflagen" zu wollen / zu mögen - oder "darf" ich das gar nicht? Muss ich jetzt lernen, etwas zu mögen, wo jeder Instinkt und jede Faser in mir brüllt, dass es eine Gefahr ist und das Risiko nicht wert? Habe ich das Recht jetzt "mal meine Ruhe haben zu wollen" - oder ist das von aussen betrachtet schon wieder etwas, wo ich aus heiterem Himmel herumticke und herumflippe?
Ausserdem: wenn Du es gegoogelt hast... stell Dir mal vor, die reden alle von Dir... wenn Du es ihr sagst, steht ihr genau das bevor. Sie wird es selbst googlen, wenn sie die erste Ablehnung überwunden hat und dann das lesen.
Ich habe inzwischen gerlernt, so damit zu leben, dass ich und die Menschen in meiner Umgebung auch so leben wollen und ich möchte bestimmt nicht wieder in die "alten Zeiten" zurück, auch wenn ich es manchmal soooooooooooo satt habe, ständig so kämpfen zu müssen, keiner Wahrnehmung einfach mal vertrauen zu können, jedes Gefühl ständig hinterfragen zu müssen... Aber ich danke allen Göttern, die ich kenne und vorsichtshalber noch ein paar mehr, dass ich nicht so etwas gelesen habe, bevor ich selbst halbwegs damit klar kam. (Natürlich wissend, dass diejenigen, die als Angehörige, Freunde, Partner ihrer Erfahrungen mit Borderlinern schreiben, nicht lügen - auch wenn ich vieles davon anders sehe)
Also ... was soll ich sagen... "hast Du schon mal darüber nachgedacht, dass Du vielleicht krank bist" ist jetzt auch nicht direkt ein Kompliment - auch wenn ich natürlich weiss, was vermutlich Deine Intention ist ;)
Wenn dann würde ich raten, vielleicht nach einem anderen Aufhänger zu suchen als das Verhältnis zwischen Euch und die Selbstverletzung. Etwas, was sie eher selbst stört, was sie beeinträchtigt. Das Nähe - Distanz-Problem haben die meisten Borderliner, aber es sieht aus unserer Sicht (meiner persönlichen Meinung nach) anders aus.
Suche eine Situation, wo sie sehr viel heftiger reagiert als üblich - und darunter leidet. Dann kannst Du ihr vielleicht erklären, dass es für sie so nicht sein muss.
Gib ihr ein paar Links dazu, wo es eher darum geht, was man als Borderliner tun und ändern kann und um halbwegs sachliche Informationen - den Wikipedia-Artikel zu Borderline finde ich persönlich durchaus grundlegend informativ, beispielsweise. Um mal wieder Werbung für meinen eigenen Thread zu machen:
http://forum.gofeminin.de/forum/carriere1/\_\_f15495\_carriere1-Borderline-von-dem-Gefuhl-in-Gefuhlen-zu-ertrinken-II.html