tracee_12744667Hallo Finchen
Ich hab schon so oft in Foren 'gestöbert' und dein Beitrag ist der, der mich dazu veranlasst, hier endlich mal was 'beizutragen'.
Ich kenne das Problem, von dem du hier berichtest, ich hab vor Jahren einmal eine Therapie gemacht, allerdings nicht ausschließlich deswegen. Die Therapie hat mir insgesamt sehr gut getan, allerdings muss ich sagen, dass ich drei Anläufe gemacht habe und die ersten beiden 'Erfahrungen' ziemlich schrecklich waren.
Jetzt fange ich das Ganze von hinten an, also sage ich dir einfach als erstes, dass es doch ziemlich sicher so ist, dass dir professionelle Hilfe sehr guttun könnte. Dann... solltest du dir klarmachen, dass du das gute Recht hast, auch bei verschiedenen Therapeut(inn)en vorzusprechen. Du solltest ein gutes Gefühl haben, das ist ganz wichtig!!! Entscheide aus dem Bauch raus! Es ist nicht immer einfach, und manches Mal hab ich mich lustigerweise sogar ziemlich 'rumgestritten' mit 'meinem Doc', na ja, ich hab ihm jedenfalls gesagt, wenn ich was nicht gut fand, wenn mir irgendwas zu weit ging oder so (das kommt mit der Zeit und ist auch möglich!), aber insgesamt will ich dir einfach Mut machen.
Der hat mich echt vorm Durchdrehen bewahrt! Es tut einfach nur gut, und die Veränderungen kommen langsam, aber sie kommen. Gute Chance, dass das klappt. Du solltest es versuchen. Trau dich einfach!
Weißt du, ich kenne diese Gefühle sehr genau, dieses 'Mich-unter-Druck-gesetzt-Fühlen' (schönes Wort, oder? :-)), sogar das Herzrasen, dieses 'Irgendetwas-partout-nicht-Wollen', aber das Gefühl haben, absolut in die Enge getrieben zu sein, kein Recht zu haben, Nein zu sagen...
Weißt du, bei mir ging es um die Folgen von sexuellem Missbrauch, allerdings glaube ich, dass dieses Grundgefühl auf vielerlei Art und Weise vermittelt werden kann, das kann so subtil geschehen oder auch ganz krass direkt... Jedenfalls hat mein Doc dazu mal was sehr Interessantes gesagt: "Du hast gelernt, dich durch die Augen anderer Menschen zu sehen." und "Du hast gelernt, dass deine Gefühle und das, was du willst und möchtest, einen 'Sch...dreck' wert sind." (Schließlich hatte ich ja Nein gesagt...)
Finchen, ich erzähl dir das, weil dir das ganz sicher auch irgendjemand beigebracht hat, wohl (wahrscheinlich) nicht bewusst und willentlich, aber die Botschaft hast du offensichtlich kapiert.
Für mich ist es so, dass mir das in schlechten Zeiten immer nochmal so gehen kann, und dann muss ich da ganz schwer mit meinem Kopf gegen angehen, oder mal ein bisschen toben, ich bin nicht so lieb wie du, darin unterscheiden wir uns sehr, ich geh dann in's andere Extrem und reagier schonmal sehr aggressiv, aber wie gesagt... in meinen schlechten Zeiten. Und die sind einfach viel, viel seltener geworden.
Es ist gar nicht nötig, die ganze Aufregung... wenn man es schafft, ganz ruhig und klar zu sagen, dass man dazu jetzt einfach nicht wirklich Lust hat, oder dass man mal Zeit für sich braucht, dann ist der andere meist noch nicht mal böse. Und wenn er's doch ist, kann man sich eh schon mal ziemlich sicher sein, dass es kein wirklicher Freund ist. Sich von solchen Menschen allerdings dauerhaft zu trennen, das finde ich auch immer noch ziemlich schwer. Es ist auch nicht so, dass ich alles immer voll im Griff hab, grad im Moment überleg ich manches Mal, ob ich nochmal 'nachlege'... Es ist halt ein Prozess, mit Höhen und Tiefen, aber wie gesagt, ich will dir Mut machen.
Ganz praktisch will ich noch sagen, dass ich den Tipp, das Nein-Sagen einfach mal zu üben, indem du es schon einmal laut aussprichst, oder in 'einfacheren' Situationen, schon mal ziemlich gut finde. Außerdem... es tut dir selbst am Ende so viel besser, wenn du ganz geradeheraus, ganz schlicht und ohne Umschweife einfach die Wahrheit sagen kannst - du solltest es einmal ausprobieren - gegen alle inneren Widerstände... Einfach mal ausprobieren, was passiert. Was wäre das Schlimmste, was dir passieren könnte?
Vielleicht machst du dir auch klar, dass ein Ja zu deiner Kollegin ein Nein für deinen Freund bedeutet... und vor allem ein Nein dir selbst und deinen Bedürfnissen gegenüber!!!! Überleg dir ganz genau, was du selber willst und was nicht, vielleicht schreibst du es mal auf, versuch bei diesem Gefühl zu bleiben, wenn du dann wirklich mal Nein sagst... Und... hinterher... wird gefeiert! Es ist egal, wie deine Kollegin sich dann fühlt... (vielleicht steigst du ja gar in ihrer Achtung, wer weiß). Wie gesagt, man muss gar nicht aggressiv sein (z.B. "sei mir nicht böse, aber... ich brauche im Moment einfach mehr Zeit für mich".. und dann gar nicht weiter argumentieren, du musst das nicht weiter erklären, das ist dein gutes Recht!!!), aber... wenn sie es partout nicht verstehen will, dann darfst du ruhig deutlich werden. Du darfst das!!!!!!!!! Das ist völlig okay!!!!!! Feier mit deinem Freund, der wird sich freuen, oder?
Pack es an, Finchen, beiß dich durch, du kannst das schaffen!
Ein langer Beitrag, ich hoffe, nicht zu lang, ich hab einfach mal aus dem Bauch heraus geantwortet (oje, merkst du, auch ich will immer noch gefallen, na ja, nobody's perfect, ich arbeite dran :-) )
Barbara