Guten Tag!Ich habe eine sehr persönliche Frage, zu welcher ich zwar ganz alleine eine ethisch und moralisch korrekte Entscheiden fällen muss, aber manchmal hilft es Meinungen, Tips und auch Ratschlänge anderer, aupenstehender Menschen zu hören.
Mein Vater ist 2006 (neurologisch) schwer erkrankt. Seine Krankheit äußert sich quasi wie eine Demenz. Zurzeit ist der Status folgender: Er lebt im ausschließlich hier und jetzt. Das Kurzzeitgedächtnis funktioniert gar nicht mehr und auch das Langzeitgedächtnis läßt rapide nach. Allerdings weiß er die Namen von uns Kindern immer noch und auch die Namen der Menschen die ihm nahe stehe (OK, manchmal vertüddelt er die Namen... aber das ist eher die Ausnahme). Ansonsten wacht er seit nun fast 5 Jahren morgens in seinem Zimmer im Pflegeheim auf und weiß nicht wo er ist. Er weiß auch nicht was in den letzten 5 Jahren passiert ist. Erzählt man ihm dies, ist es nach zwei Minuten vergessen.
Nun ist gestern morgen meine Oma, bzw. seine Mutter verstorben. Davon abgesehen dass es für mich der erste Todesfall in meiner Familie ist und sie für mich der wichtigste Mensche, ringe ich grad mit mir ob ich meinem Vater das sagen soll oder nicht. Ich stelle einfach mal beide "Fälle" gegenüber.
Ich sage es ihm:
Dieser Moment wird der schmerzlichste Moment überhaupt für ihn. Da er nur im Hier und Jetzt lebt, hat er diesen Moment auch schnell wieder vergessen. Aber soll ich ihm wirklich diesen einen fürchterlichen Moment bescheren? Diese Information wird er in seinem Zustand nicht verarbeiten können. Auch habe ich Angst davor dass sein Gehirn wieder krampft (passiert öfter mal) und ich mir später Vorwürfe mache.
Ich sage es ihm NICHT:
In diesem Fall würde ich mir große Vorwürfe machen, da es ein äußerst intimes Bedürfnis ist zu erfahren wenn die Eltern sterben. Niemand möchte diese Information vorenthalten bekommen. Ich habe es leider auch nicht geschafft meiner verstorbenen Oma darüber zu sprechen. Sie hat ihren Sohn sehr geliebt und sich aufoperungsvoll mit mir zusammen um ihren Sohn gekümmert.
Ich stecke einfach in einer Zwickmühle zwischen Vernunft und Herz (ja, die beiden sind nicht immer Freunde...) Mein Vater würde nicht bemerken, dass meine Oma zukünftig nicht mehr zum Besuch zu ihm ins Pflegeheim kommt wegen diesen Gedächtnisdefiziten.
Ich selbst tendiere dazu es ihm nicht zu sagen. Ich liebe meinen Vater und möchte dass er die Zeit die er hat, auch wenn es eine schwere Zeit ist, in Frieden verbringen kann. Erleichtert bin ich auch, dass ich 3 Tage vor dem Tod meiner Oma mit ihr noch meinen Vater besuchen war. Ich hatte auch das Gefühl dass sie sich an dem Tag bei ihm irgendwie "anders" verabschiedet hat von ihm. Als wisse sie dass sie sterben wird. Auch glaube ich fest daran, dass sie Seele meiner Oma sich bei meinem Vater auf eine ganz besondere Weise verabschieden wird und meinem Vater Frieden gibt ohne dass er diese konkrete Information von mir erhält.
Nur sind innerhalb der Familie geteilte Meinungen. Da ich aber die vom Amtsgericht bestellte Betreuerin bin, habe ich diese Entscheidung zu fällen. Daher interessieren mich, wie oben bereits erwählt, einfach verschiedene Meinungen. Auch wenn sie in verschiedene Richtungen gehen.
Lieben Dank!
Sarah