Hallo,
das ist mein erster Beitrag und ich bin mir nicht sicher ob ich hier im richtigen Forum bin. Mich beschäftigt da seit langem eine "Sache" und ich denke das Beste wäre, wenn ich die einfach einmal aufschreiben würde (was ich ja auch gerade mache). Vor vielen (etwa 26) Jahren war ich zwei Jahre lang an einer "Berufsbildungseinrichtung". Das war eine ziemlich coole Zeit, denn die Ausbildung machte mir viel Spaß und ich habe in dieser Zeit Kontakt zu vielen Menschen gefunden, die aus allen möglichen Teilen dieser Republik kamen. Da ich damals (und noch lange Zeit danach) in einer sehr festen Beziehung mit der Mutter meiner zwei Töchter war, beschränkten sich meine Kontakte auch zu den weiblichen Bekannten auf eine eher freundschaftliche Ebene. Allerdings gab es einige Frauen, mit der ich damals auch eingehend über sehr persönliche Dinge gesprochen habe, was sonst eigentlich gar nicht so meine Art ist. Eine der Frauen, nennen wir sie mal B, die ich damals kennenlernte, war in einem anderen Kurs, der ein Jahr nach dem meinen begann und endete. Wir haben uns öfter getroffen um uns zu unterhalten oder Musik zu hören. Einmal waren wir zusammen essen gegangen das war es im Wesentlichen. Ich habe diese Frau damals wirklich sehr geschätzt und auch gemocht. Ich konnte mich mit ihr über alles Mögliche auch über heiklere Themen unterhalten und hatte immer das Gefühl, ihr vertrauen zu können. Das was sie mir damals anvertraut hat (sie war ziemlich unglücklich in ihrer Ehe), habe ich immer für mich behalten Details habe ich inzwischen längst vergessen, so dass ich wohl auch nichts ausplaudern werde, sollte ich noch senil werden.
Nach dem Ende der Ausbildung habe ich sie nie wieder gesehen. In den folgenden Jahren habe ich die Mutter meiner Töchter (und die Frau meines Lebens) geheiratet und eine kleine (nicht sooo klein) Firma aufgebaut. Wir bekamen zwei weitere Kinder (einen Sohn und eine Tochter) und hatten eine lange Zeit ein gutes Leben. Leider war es damit vor etwa elf Jahren so ziemlich vorbei. Es folgten einige Jahre zunehmender Entfremdung (Details spare ich hier mal aus) und schließlich vor etwa sieben Jahren die endgültige Trennung. Doch schon vorher, nämlich vor ziemlich genau neun Jahren, hatte ich dass, was man wohl ein einschneidendes Erlebnis nennt. Mein bester Freund und Gefährte seit Kindheitstagen (wir sind tatsächlich wie Brüder aufgewachsen) verstarb im Alter von 42 Jahren völlig überraschend. Das hat mich damals wirklich umgehauen. Ich war damals so traurig, dass ich mehrere Monate brauchte, um wieder in mein eigenes Leben zurückzufinden. Unter dem Eindruck dieses Ereignisses wurde mir auch meine eigene Sterblichkeit mit beängstigender Deutlichkeit bewusst. Mir war auf einmal klar, dass ich an einem Tag, der sich wahrscheinlich an einen ganz und gar gewöhnlichen anderen Tag nahtlos anschließen würde, aufhören würde zu existieren. Dass es kein "bis morgen" mehr geben würde, das alles was mich ausmacht einfach weg sein würde und die Dinge, die ich geplant oder gewünscht habe, sich niemals erfüllen würden. An einem Tag, an dem ich diesen doch eher trübsinnigen Gedanken nachhing, entstand die Idee einer Liste von "Dingen die ich noch erledigen wollte", bevor sich der grimme Schnitter über mich hermacht. Auf dieser Liste fanden sich (neben anderem) Bücher die ich lesen, Fragen auf die ich eine Antwort finden, Orte die ich besuchen und Menschen die ich noch einmal wiedersehen wollte. Ein paar dieser Menschen habe ich wiedergefunden und mit einigen verbindet mich (wieder) eine gute Freundschaft. Bei anderen kam ich zu spät, um noch mit ihnen reden zu können. Einige suche ich noch. Wie ihr euch sicherlich inzwischen denken könnt, stand auch B auf dieser Liste. Leider hatte sie damals einen "Allerweltsnachnamen" und ich wusste auch gar nicht wo sie eigentlich gewohnt hat. Die Suche nach ihr gestaltete sich also etwas schwierig. Außerdem wollte ich ihr (oder sonst jemanden) auch nicht nachschnüffeln. Den Gedanken mich über die besagte Berufsbildungseinrichtung nach ihrer damaligen Adresse zu erkundigen verwarf ich deshalb auch.
In der Folgezeit war ich, unter anderem durch die Trennung und die anschließende "Betreuung" meiner Kinder ziemlich beschäftigt. Als ich (vor allem durch die Hilfe der besten Haushaltshilfe von allen) ein wenig Zeit für mich hatte, verbrachte ich diese gelegentlich in der Gesellschaft charmanter Frauen die ich meinen Kindern aber, bis auf eine Ausnahme, nie vorstellte (ich bin, dass habt ihr vielleicht inzwischen gemerkt, in mehr als einer Hinsicht, etwas altmodisch eingestellt).
Vor etwa zwei Jahren, meine älteren Töchter waren inzwischen ausgezogen und mein Sohn verbrachte auch nur noch die Wochenenden bei mir, beschloss ich, dass es besser wäre, zunächst einige Zeit alleine zu bleiben so ist es bis heute. Meine jüngste Tochter ist seit einigen Monaten im Ausland und wird das auch noch eine ganze Zeit lang bleiben und mein Sohn lebt inzwischen mit seiner Freundin zusammen. Ich habe also eine Menge Zeit, die Dinge zu tun, die mir Spaß machen und die Menschen zu treffen, an denen mir etwas liegt. Gesundheitlich und finanziell habe ich keine Sorgen. Zu meinen Kindern habe ich ein gutes und herzliches Verhältnis. Meine Ex-Frau lebt ihr eigenes Leben. So wie es aussieht, werde ich bald Opa. Eigentlich ist mein Leben also weit mehr als nur "in Ordnung". So habe ich das auch selbst eingeschätzt.
Das änderte sich allerdings vor ein paar Wochen. Ich mag eigentlich keine "Social Networks" (im Gegensatz zu Foren die sind schon OK) aber ich bin bei einer "Schulplattform" angemeldet. Da gibt man unter anderem an, welche Schulen man so im Laufe seines Lebens besucht hat. Ich habe bei mir auch diese Berufsbildungseinrichtung angegeben. Jedes Mal wenn sich ein anderer Teilnehmer für eine der "Schulen" einträgt, bei denen ich eingetragen bin, bekomme ich (wie jeder andere Teilnehmer dieser Plattform auch) eine Mail. Vor ein paar Wochen bekam ich die Nachricht, dass B sich ebenfalls angemeldet hat. Sie hat wohl inzwischen noch einmal geheiratet, denn sie trägt jetzt einen anderen, weitaus selteneren Namen. Ich habe dann etwas getan, was mir ziemlich peinlich ist. Ich habe sie gegoogelt. Inzwischen weiß ich wo sie wohnt (sie war offenbar die ganze Zeit am gleichen Ort) und dass sie einen fast erwachsenen Sohn hat. Ich kenne ihre Telefonnummer und ihre genaue Adresse. Ich habe Bilder von ihr gesehen und die sind entweder älter oder sie hat sich tatsächlich kaum verändert.
Nachdem ich das alles in Erfahrung gebracht hatte (was wirklich schnell ging und sich auf die Verwendung einer Suchmaschine beschränkte) habe ich mich schäbig und schmutzig gefühlt.
Und unglaublich hilflos. Nachdem ich den Schock überwunden hatte, dass ich mich bei einem so taktlosen Verhalten ertappt hatte, fragte ich mich, wie ich denn jetzt zu ihr in Kontakt treten könnte? Ich traue mich nicht sie anzurufen (schon alleine deshalb, weil es mir peinlich ist, wie ich an ihre Nummer gekommen bin). Tatsächlich habe ich auch nicht nur die geringste Ahnung wie ich mich erklären sollte.
Ich dachte auch schon daran ihr einen Brief zu schreiben doch leider ist da wohl meine nicht existente Handschrift ein echtes Hindernis (meistens kann ich die selbst nicht lesen). Einfach hinzufahren um ihr dann "zufällig" über den Weg zu laufen, kommt für mich nachdem ich diesem Gedanken tatsächlich einmal nachgegangen bin überhaupt nicht in Frage. Sie könnte mich für einen Stalker halte. Ich dachte auch daran, ihr einfach ein paar Blumen mit meiner Telefonnummer und meinem Namen (an den sie sich ja wahrscheinlich gar nicht mehr erinnert) zu schicken und zu hoffen, dass sie mich anruft.
Ich habe obwohl ich das wahrscheinlich in Erfahrung bringen könnte nicht die geringste Ahnung wie sie jetzt lebt. Keine Ahnung ob sie alleine ist oder in einer Beziehung lebt.
Alles was ich möchte und ich weiß wie schräg sich das anhören muss ist sie einfach noch einmal wiederzusehen. Mit ihr zu reden, zu erfahren wie es ihr ergangen ist.
Meine größte Sorge ist seit einigen Wochen, dass ich sie verschrecke. Dass sie mich für einen völlig verschrobenen Freak halten könnte, um den man besser einen großen Bogen macht, als sich mit ihm an einen Tisch zu setzen und über alte und neue Zeiten zu plaudern.
Oder das ich irgendwann, wenn es mit mir zu Ende geht, bereue, sie nicht noch einmal wiedergesehen zu haben. Denn das würde ich.
Gantenbain