Hallo :) Nach langer Zeit melde ich mich hier mal wieder mit einem Problem. Ich bin nun 20 Jahre alt.
Vor knapp 2 Jahren bin ich von Zuhause weg gezogen - 650km weiter weg, zu meinem Freund, mit dem ich auch immernoch zusammen bin.
Das Ding ist: Seitdem habe ich mich sehr stark verändert.
Ich habe einige Phasen durchlebt. Besonders als Kind war mir eigentlich alles egal - wirklich alles und jeder. Die Welt hätte untergehen können, alle sterben... Wäre mir egal gewesen. Erst so mit 12-13 Jahren kam ich in die "Ich bin ein Emo und keiner versteht mich"-Phase, die ich etwa mit 15-16 wieder überwunden hatte. Danach war mir eigentlich wieder alles egal, ich wusste aber, wie sich Menschen verhalten, und wusste es zu verstecken.
Jetzt ist es aber so... Seit ich umgezogen bin, sind mir so viele Dinge aufgefallen. Alles genau kann ich schlecht erklären, aber: Ich habe einige Probleme nun was meine Emotionen angeht. Als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe, wurde nie über negative Dinge geredet. Sie wurden einfach nicht erwähnt. Genau so ist mir auch früher nie aufgefallen: Die Wohnungen meiner Eltern sind total verdreckt. Mit Schimmel, Kleinviechern, Zugemüllt, alles was dazu gehört. Ich habe wirklich erst angefangen dies zu sehen, als ich eine Weile von dort weg war. Mir war also nicht nur alles egal - ich habe sogar alles ausgeblendet. Erst seitdem ich da raus bin, werd ich langsam auf Sachen aufmerksam.
Mein Freund meinte mal, ich soll zu meinen Eltern auch mal "Ich hab dich lieb." sagen. Ich meinte "Nein" und als er weiter darauf beharrte, wurde ich richtig wütend. Es wäre einfach seltsam. Über Gefühle wurde nie geredet. Niemals hätte ich so etwas gehört, und es kommt mir falsch vor, so etwas zu meiner Familie zu sagen. Da kommen wir auch schon zum ersten Problem: Die Aggressionen. Vorweg: Die Aggressionen beziehen sich immer auf mich selbst. Ich kann mit Kritik umgehen, aber nicht mit Fehlern. Ich bin so perfektionistisch, aber so wenig perfekt. Das ist nicht auf Schularbeiten bezogen, sondern besonders auf Geld. Ich kaufe mir nie etwas, ich trage die alten Klamotten meiner großen Schwester und habe vor ein paar Wochen meine Jahre alten Schuhe mit Sekundenkleber geklebt.
Es kommt mir immer vor, als wäre es falsch, Geld für mich auszugeben.
Vorhin habe ich meinen Studentenausweis verloren. Sofort kommt richtige Wut in mir auf. Als wären Fehler nicht erlaubt. Ich verfalle quasi in einen Zustand in dem mich keiner berühren darf und sage dann auch immer: "Fehler sind nicht erlaubt." Bei Kleinigkeiten fühle ich mich als Versagerin und wertlos.
Besonders schlimm ist es, wenn Leute, Bus oder Bahn Verspätung haben. Die Wut ist unbeschreiblich. Auch wenn es nichts mit mir zu tun hat. Ich würde nie die Wut an anderen Menschen raus lassen. Entweder ich schlage irgendwo dagegen, bei Agressionen, unterdrücke die Wut oder nehme Alkohol als beruhigung. (Keine Angst, das passiert recht selten)
Ich habe allgemein das Gefühl, dass ich die ganzen Emotionen, die ich früher verdrängt habe, nun, da ich weg bin, alle rauslasse. Auf einmal liebe ich so viele Dinge. Ich bin oft überglücklich und aufgedreht, aber so schnell auch niedergeschlagen und... wirklich nicht normal. Total überemotional. Schon seit über einem Jahr.
Ich habe auch das Gefühl, dass meine Eltern mittlerweile ausblenden, was bei ihnen eigentlich abgeht. Dazu bin ich sauer, dass ich nun solche Probleme habe, weil damals Emotionen sowie Versagen tabu waren, und ich sowie meine Geschwister nun darunter leiden. Wenigstens fangen wir langsam an, die Situation zu realisieren, und uns so zu entwickeln, wie wir es wollen. Zumindest meine Schwester und ich - mein Bruder, der als einziges noch Zuhause wohnt - lebt glaub ich noch recht verschlossen in seiner Welt. So wie meine Schwester und ich eben auch früher.
Ich habe außerdem ADS. Was traurig ist: Ich kann es verstehen. Wenn man alles auszublenden lernt, dann versinkt man eben in sich selbst. Drückt alles in dem Moment von sich selbst, denn die Gedanken sind schöner.
Ich will nicht sagen, dass es allgemein bei ADS so ist... Aber bei mir dürfte es so entstanden sein, was mit heute noch Probleme bereitet. Dazu habe ich fast jede Nacht Albträume.
Nun meine Fragen... Wie kriege ich meine Emotionen in den Griff? Ich denke schon real finde ich. Ich weiß in den Situationen eigentlich, dass es nicht so schlimm ist. Irgendwie kommt trotzdem alles angestaute raus... Ich will ja ruhig bleiben, die Bahn Verspätung hat. Ich weiß, es kann tiefgehende Probleme haben, evtl. kann keiner was dafür. Ich weiß, ich habe trotzdem genug Zeit am Tag. Trotzdem, diese Wut kommt einfach und ich weiß nicht was zu tun ist.
Sowie diese Niedergeschlagenheit manchmal. Was muss ich tun, damit diese Selbstzweifel vergehen? Ich weiß, ich habe einige Stärken. Trotzdem, wenn was passiert, drehe ich durch. Ein schlechtes Ereignis am Tag reicht, um den ganzen Tag wegzuwerfen. Dazu kommen viele Ängste: Ich habe mitterlweile vor so vielem Angst. Sinnlos, in sinnlosen Situationen. (Hatte einmal Panik in der Bahn, dass mich jemand erschießen könnte - Auf einmal ohne mir bewussten Reiz). Mir soll nicht alles egal sein. Ich will nur keine Stimmungsschwankungen von 0 auf 100 und dann noch wegen Sachen die bei normalen Menschen nicht vorkommen. Mein Freund tut mir sehr leid, er weiß in so Situationen nicht mit mir umzugehen und häufig höre ich dann auch nur raus, was es verschlimmert. Ohne diese Emotionsunterschiede bin ich ein normaler Mensch - und sogar recht zufrieden mit mir.
Danke, falls sich das wer durchliest. Noch ein größeres Danke, falls jemand helfen will. Bin für alles offen.