Mir ist etwas passiert, was mich innerlich zerfrisst und ich hoffe hier guten Rat zu bekommen.
Die Literatur ist eines meiner Hobbies, ich schreibe auch selbst und hatte vor 2-3 Jahren ein Literaturclub in meiner Stadt entdeckt, in dem sich Autoren einmal wöchentlich treffen, Texte vortragen und kommentieren. Sie organisieren auch Textwettbewerbe, es ist eine recht gute Sache, mir gefällt es dort und ich besuche diesen Club gelegentlich, wenn ich die Zeit dazu finde.
Gleich bei meinem ersten Besuch dort habe ich einen Mann kennen gelernt hat, der mich umworben hat. Für mich kam er als Partner absolut nicht in Frage, da er erheblich älter als ich ist. Als Gesprächspartner schätzte ich ihn aber immer sehr, da er sehr intelligent und gebildet ist, wir hatten immer sehr interessante Gespräche, tauschten uns über Bücher aus, ich bekam von ihm oft gute Tipps und immer Unterstützung bei meinen Auftritten, außerdem las er meine Texte Korrektur, da Deutsch nicht meine Muttersprache ist und ich gelegentlich Fehler mache, er dagegen ist Muttersprachler und Germanist. Es traf ihn offensichtlich hart, dass ich von ihm als Mann nichts wollte, aber wir einigten uns darüber nur Freundschaft zu führen und die war für mich auch durchaus angenehm und bereichernd.
Dadurch, dass er mich im Literaturklub und auch in der Kneipe, die wir nach den Lesungen besuchten, immer belagerte, hatte ich wenig Gelegenheit, die anderen Leute besser kennen zu lernen und mehr von ihnen zu erfahren. Dieser Club ist für alle offen, dennoch gibt es da ein Kern, der immer dabei ist. Fast alle sind deutlich älter als ich.
Vorletzte Woche war dieser Freund komisch darauf und wollte mich in den Literaturclub nicht begleiten. Er hat gelegentlich seine Phasen, in denen er sich mir gegenüber merkwürdig verhält und sogar verbal verletzend wird. So what, habe ich mir gedacht, ich kann doch auch alleine hingehen, ich brauche ihn nicht unbedingt, schließlich kenne ich doch auch andere Leute dort. Nach der Lesung machten sich einige auf dem Weg zur Stammkneipe. Ich war unsicher, ob ich mitgehen soll, wie gesagt, hatte ich mich bisher hauptsächlich mit diesem Freund unterhalten und habe kaum Verbindung zu den anderen, ich wollte mich deshalb nicht aufdrängen. Andererseits hatte ich aber für den Abend nichts Weiteres vor und schon Lust mitzugehen und über die Texte des Abends zu diskutieren. Dann hat mich ein älteres Paar (eigentlich nur der Mann) aufgefordert mit in die Kneipe zu gehen und das war für mich dementsprechend willkommen und ich schloss mich ihnen an. Ich kannte die beiden nicht, sie sind offensichtlich neu im Club und ich selbst war schon monatelang nicht mehr dort gewesen. Es stellte sich heraus, dass der Mann und ich denselben Arbeitgeber haben, wir plauderten ein bisschen, wobei ich mich bemühte, mich gleichermaßen mit ihm und mit der Frau zu unterhalten. In der Kneipe setzten wir uns an einem großen Tisch zu den anderen dazu, ich neben der Frau. Leider war das so, dass ich keinen Anschluss zu der Gruppe fand, die Anwesenden bemühten sich nicht, mich in das Gespräch zu integrieren, kaum jemand unterhielt sich mit mir. Ich fühlte mich nicht wohl, deshalb trank ich mein Drink zügig aus und ging. Beim Abschied erst wandte sich der ältere Mann wieder an mich, zeigte Interesse an meiner Arbeit und fragte nach der Homepage unseres Instituts. Deshalb hielt ich mich noch ein paar Minuten auf und notierte ihm die Internetadresse. Er ließ sich aber auch von anderen am Tisch ihm interessant erscheinende Internetadressen aufschreiben, schien mir also allgemein wissbegierig zu sein.
Paar Tage später bat mich mein Freund, ihm zu erzählen, wie der Leseabend war und ich berichtete ihm in einer ausführlichen E-Mail. Eine Woche später ging er zur nächsten Lesung in den Club und ich war wiederum nicht dabei. Anschließend kam eine Mail von ihm, in der er mich darüber informiert, dass die Leute im Literaturklub (Namen nennt er nicht) schlecht über mich reden und Witze über mich reißen. Ich sei verzweifelt auf der Suche nach neuen Männern, vor einer Woche habe ich in der Kneipe diesen anderen alten Mann gefragt, ob er eine Partnerin habe, und nachdem er es verneint hat, habe ich ihn heftig angebaggert.
Diese Nachricht hat mich zutiefst verunsichert und ich habe die Nacht darauf kaum geschlafen. So ein Intrigant, habe ich mir gedacht. Ich bin der Meinung, dass ich mich anständig benommen habe, ich war freundlich, habe zu keinem der Leute ein böses Wort gesagt, bin auch nach kurzer Zeit und als Erste gegangen und kann mir kaum vorstellen, dass intelligente und niveauvolle Menschen, wie sie dort überwiegend sind, die Wahrheit dermaßen verdrehen oder mich als so eine lächerliche und bedauernswerte Figur sehen. Oder irre ich? Ich hätte sogar alles für von ihm erfunden gehalten, wenn da die Frage nicht wäre, ob der ältere Kollege eine Partnerin habe. Das hatte ich ihn natürlich nicht gefragt, es interessiert mich auch nicht die Bohne, aber ich hatte seine Begleitung gefragt, ob das ihr Partner sei. Einfach so, um das Gespräch am Laufen zu halten, ich dachte, dass sei ok im Rahmen eines Small-Talks. Sie meinte nein, das sei nur ein guter Freund von ihr und ich nickte und sagte a-ha, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen soll und ihr Verhältnis zueinander war für mich ohnehin belanglos. Dann muss zwangsläufig diese Frau was Böses erzählt haben, denn sie war die einzige, die wusste, dass ich eine derartige Frage gestellt habe. Es ist also schon möglich, dass hinter meinem Rücken etwas Unpassendes geredet wurde.
Erwecke ich tatsächlich den Eindruck, dass ich verzweifelt auf der Suche bin? Habe ich eine dermaßen verschobene Selbstwahrnehmung? An diesem Tisch in der Kneipe war aber niemand, der für mich in Frage gekommen wäre, da habe ich ganz sicher keine Partnersuche betrieben. Ich habe nur gehofft, auch ohne meinen ständigen Pendant in der Gruppe aufgenommen zu werden und ein interessantes Gespräch mit den Anderen zu führen, womit ich leider nicht erfolgreich war.
Ich ärgere mich schon über mich selbst, weil ich es zulasse, dass die Sache mich dermaßen herunterzieht, aber das tut sie tatsächlich.
Ich tendiere stark dazu, die Freundschaft mit diesem Mann rigoros zu beenden. Ich habe einfach folgende Überlegungen: ich nehme an, dass die Leute tatsächlich hinter meinem Rücken etwas gequaselt haben, kann aber kaum glauben, dass es so böse und abwertend war. Denn es ist unwahrscheinlich, dass sie gerade vor dem Mann, von dem sie wissen, dass er mit mir befreundet ist und mich mag, so furchtbar über mich lästern. Und selbst, wenn es so war, einem/-r guten Freund(in) erspart man eine solche unangenhme Informaton, finde ich. Denn sie führt nur dazu, dass der Betreffende sich schlecht fühlt, während er gegen die bösen Gerüchte weitgehend machtlos ist und kaum was daran verändern kann. Oder ein richtiger Freund würde mir Namen nennen und mich warnen: Sei vorsichtig mit X und Y, sie sind hinterhältig, reden unschöne Dinge hinter dem Rücken der Anderen, auch hinter deinem. Jedenfalls glaube ich nicht, dass ein guter Freund einfach in seiner Mail hinklatscht: sie grinsen und reißen Witze über dich. Das schreibt man nur, wenn man vorsätzlich verletzen will. Dieser Mann ist klug und kann durchaus sensibel sein, also glaube ich nicht, dass er den Text einfach so gedankenlos verfasst hat, ich unterstelle ihm, dass es seine Absicht war, mir weh zu tun. Ihm ist es auch durchaus gelungen, mich mit seiner Botschaft zu vergiften, warum sollte ich so jemanden als Freund behalten? Ich möchte, dass es mir gut geht und mir künftige Verletzungen und Enttäuschungen ersparen.
Seht ihr das auch so wie ich?
Verunsichert bin ich schon sehr, denn der Verlust eines Freundes ist immer traurig und wird mir konkret einige Nachteile bringen: ich müsste mir jemanden anderen suchen, der meine Texte korrigiert (kennen ich aber keinen), auf unsere interessante und bereichernde Gespräche verzichten, seine Aufmerksamkeit vermissen und damit rechnen, dass ich im Literaturklub evtl. völlig isoliert werde.
Soll ich überhaupt noch dort hingehen? Es wäre wirklich schade, wenn ich das nicht mehr tun könnte, denn es hat mir Spaß gemacht. Wie soll ich mich dort verhalten? Ich denke, es ist besser, ich gehe künftig nach der Lesung weg und nicht mehr mit den anderen in die Kneipe. Wenn ich den Ort künftig immer mit einem komischen Gefühl betreten muss, wird mir wahrscheinlich der Spaß an der Unternehmung bald vergehen. Ach, das finde ich alles so schade! Was soll ich bloß tun? Kann ich überhaupt noch was tun? Habt ihr einen Rat für mich?