Ein vielseitiges Problem
Deine Fragen berühren eigentlich zwei Probleme, die auf den ersten Blick anscheinend nichts miteinander zu tun haben, aber wahrscheinlich doch zusammenhängen: Erstens dein psychologisches Problem mit deinem Vater (noch aus der Kindheit und der Erziehung resultierend), und zweitens das "praktische" Alltagsproblem der Arbeitslosigkeit und des Wiedereinstiegs.
Aus der Ferne ist es schwierig (und problematisch) eine Diagnose zu stellen, inwieweit äußere Umstände an deiner Situation Schuld sind (auf die du keinen direkten Einfluss hast; z.B. Arbeitslosenmarkt), und inwieweit du eventuell psychischen Einflüssen ausgesetzt bist, die in deiner Erziehung liegen UND DIE DU NUR GANZ ALLEINE HEUTE LÖSEN KANNST.
Es ist möglich, dass dein Vater euer ganzes Leben über (zumindest deine wichtigsten Entwicklungsjahre zwischen deinem sechsten und sechzehnten Lebensjahr) einen negativen Einfluss auf dich ausgeübt hat. Vielleicht hat es sich bei ihm um einen Menschen gehandelt, der selbst mit seinem eigenen Leben unzufrieden war, der von Selbstzweifeln geprägt war, und der deshalb die Schuld bei seinen Mitmenschen suchte und seinen Mitmenschen (also dir) dauernd einredete "Du kannst nichts! Aus dir wird nichts! Du bist die Enttäuschung meines Lebens!" (Denn oft projektieren Eltern ihre eigenen Unzulänglichkeiten auf unschuldige Kinder).
Wenn man als junger Mensch (und als sensible junge Frau) dauernd die gleiche Leier hört, dann glaubt man letztlich daran und beginnt an sich selbst zu zweifeln. Ergebnis: Man entwickelt kein eigenes Selbstbewusstsein, sondern wird letztendlich sogar zu dem "faulen, antriebslosen und unselbstständigen" Menschen, den dein Vater immer gerne aus dir machen wollte (um seine eigene Mangelhaftigkeit zu kaschieren).
Es ist also nicht ausgeschlossen, dass hier eine Wechselwirkung von "Angst" eingetreten ist, die immer dann von dir Besitz ergreift, wenn du vor schwierigen Aufgaben und Entscheidungen stehst (wie jetzt vor den Bewerbungen und dem beruflichen Wiedereinstieg).
Nehmen wir nun mal an, dass du NICHT faul und nicht antriebslos bist, sondern eigentlich dein privates UND berufliches Leben in die eigenen Hände nehmen möchtest, dann hast du in den nächsten Tagen und Wochen einen enorm großen Schritt zu gehen; nämlich dich von deiner negativen Erziehung zu lösen. Du solltest dir sagen: "Ich WILL das! Ich SCHAFFE das! Mir kann NIEMAND mehr erzählen, ich sei faul oder ich sei lebensuntüchtig! Ich bin eine selbstbewusste Frau, die sich eigenverantwortlich um sich und ihr Kind kümmern kann, und die sich von NIEMAND mehr runtermachen lässt!"
Ich weiß, das ist verdammt schwer (und ist eigentlich nur mit einer längeren Psychotherapie zu erreichen). Ich traue dir aber diesen Schritt zu, da du in deinem Schreiben gezeigt hast, dass du dich mit dem Problem bereits befasst und aus eigenem Antrieb bereits Ursachen und Wirkungen aufgezeigt hast.
Mit meinem Versuch einer Antwort ist sicher nicht dein gesamtes Problem gelöst und erklärt. Denn neben diesem möglicherweise psychologischem Hintergrund sind wahrscheinlich noch andere Fragen zu berücksichtigen: Zum Beispiel praktische Fragen wie "Bewerbungsschreiben, Vorstellungsgespräch, Auftreten, Arbeitsmarkt, Berufskenntnisse, usw.". Trotzdem scheint mir der wichtigste Aspekt das SELBSTBEWUSSTSEIN zu sein. Wenn du gerlernt hast zu sagen: "Hallo hier bin ich! Ich KANN und ich WILL!" dann hast du bereits den wichtigsten Teil deines Weges gewonnen. Du musst an DICH glauben, nicht an die niedermachenden Floskeln anderer Menschen!