olivia_12501339Liebe Marie,
wirklich alles was Du schreibst, hat meine Tochter, als sie in Deinem Alter war, auch erlebt.
Als ich Deinen Brief gelesen habe, habe ich wirklich geglaubt, meine Tochter hätte diesen geschrieben, auch das mit Deinem Papa, der das nicht versteht. Aber nun gut. Heute ist meine Marie fast 20 und die Ängste sind immer noch da, mal mehr, mal weniger. Sie macht zur Zeit ein FSJ ( Freiwillges Soziales Jahr) und mal sehen, was danach kommt.
Das soll Dir nun aber keine Angst machen, sondern Dir nur sagen, das Du nicht alleine bist. Es gibt unfassbar viele junge Menschen, die genauso leiden wie Du.
Was können wir nun tun?
" Deine Mama unterstützt Dich wo sie kann, schreibst Du. Und das es Dir leid tut, dass Du sie damit belastest".
Nun, das Schlimmste für Deine Mama ist es Dich so zu sehen und nicht zu wissen, wie sie Dir helfen kann. Dafür kannst Du aber nicht. Dein Vater, der das nicht versteht, den lassen wir zunächst einmal bei Seite.
Um Dir und Deiner Mama zu helfen, geht ihr zur Hausärztin (sollte der Termin mit dem Psychater nicht klappen) und läßt Dich sofort krank schreiben.Schildere ihr offen was los ist, ich denke aber, das wird sie schon wissen. Sie möchte Dich in eine stationäre Klinik
( Psychosomatik/ Psychatrie für Jugendliche) überstellen. Und Marie, keine Angst vor dem Wort Psychatrie, es ist wirklich nur ein Wort. Meine Marie hat sich damals mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, und sie ging immer mehr zu Grunde bis es zu einer Noteinweisung kam. Das ist bei Dir aber anders, da Du ja selbst bereit bist, Dir Hilfe zu holen. Und das ist ganz entscheidend. Wenn Du dann in der Klinik bist, dort kannst Du übrigens auch zur Schule gehen, dann hast Du verschiedene Theraphien, die Du zwar mitmachst, die Dir aber womöglich überhaupt nicht helfen. Das Entscheidene aber ist, Du lernst Gleichaltrige kennen, die die gleichen- oder andere Probleme haben und glaube mir, das schweisst zusammen und dadurch entstandene Freundschaften. Du bist jung und für Dich sind Gleichaltrige unglaublich wichtig und ihr könnt Euch gegenseitig helfen, so wie es kein Arzt / Th. jemals schaffen würde.
Du hast Ende der Woche einen Termin beim Psychater. Ich glaube nicht, dass er Dir helfen kann, Deine Probleme zu lösen. Du hast ihn Dir nicht ausgesucht, er kennt Dich nicht, woher sollst Du Vertrauen haben, einem fremden Menschen in 45 Minuten Dein Leben zu erklären. Der Termin ist trotzdem sehr wichtig, den in so einem Erstgespräch, bietet der Psychater in der Regel verschiedene Wege an. Medikamentös, Tagesklinik, stationäre Klinik ( das heißt, Du wohnst da für eine gewisse Zeit). Als ich damals bei diesem Erstgespräch war, hat meine Tochter alles abgelehnt und wollte da nur weg.
Du möchtest Hilfe, also kannst Du sie Dir auch holen. Und lasse Dich sehr zeitnah, wenn nicht, über eine Notaufnahme einweisen bzw. lass das Deine Mama regeln. Wenn Du jetzt denkst, es wird für Deine Mama eine Schock sein, dann ist das für sie für einen Moment auch so, dann schöpft aber auch Deine Mama Hoffnung, dass man Dir dort helfen kann, weil sie ja daran verzweifelt Dir nicht helfen zu können und Deinen Papa das ganze eh nicht versteht.
Zusammenfassung:
Ende nächster Woche ist der Termin beim Psychater: das dauert zu lange, denn Du bekommst dort auch nur die vorgenannten Wege aufgezeigt
Gehe gleich zur Hausärztin ( mit Deiner Mama, wenn igrendwie möglich), schildere Deine Probleme und Ängste offen. Sie wird Dich krank schreiben und Du bekommst sehr zeitnah eine Einweisung, wenn nicht über eine Noteinweisung. Und Marie, habe keine Angst, es ist wirklich der richtige Weg. Du alleine kannst Dich nicht ändern, Du musst Dich auch nicht ändern, sondern lernen mit bestimmten Situationen umzugehen.
Sollte Deine Mutti oder Du nicht weiter wissen, dann schreibe mir und ich gebe Euch eine Telefonnummer, wo ihr mich anrufen könnt.
Und Eines noch Marie mit zwei ii, Du bist nicht 0815, o.k.? Du bist einfach mutig, ich hätte mir damals gewünscht, meine Tochter hätte sich auch so Rat geholt, wie Du ihn Dir jetzt auf diesem Wege gesucht hast.
Liebe Grüsse
Angelika