Selbstverletzung, Klinik...
Sei gegrüßt!
Leider kenne ich derartiges aus eigener Erfahrung. Ich bin 27 Jahre alt und habe Borderline, weswegen ich seit Jahren in Therapie, sowohl ambulant als auch stationär, bin. Es wurde mittlerweile eine ziemliche Anzahl an Medikamenten ausprobiert, ohne die erwünschte Wirkung.
Wann ich angefangen habe mit der Selbstverletzung weiß ich nicht mehr, aber wenn man nicht dagegen vorgeht, wird es immer schlimmer, wie bei einer Sucht. Man braucht mehr und schlimmere Verletzung. Ich selbst landete schon mehrfach in der Notaufnahme wegen schwerer Schnittwunden oder Suizidversuchen, brach mir zweimal selbst den Arm und mein Körper ist übersäht von schlimmen Narben.
Meine Mutter fand erst 2004 heraus, was mit mir los ist, und seitdem ist das Verhältnis zwischen mir und meiner Familie auch nicht mehr das, was es schon mal war. Von einem Moment war ich nicht mehr die, die sie kannten, sondern eine total fremde Person. Es fällt ihnen offenbar sehr schwer, nachzuvollziehen, warum man sich selbst zerstört und/oder nicht leben möchte und haben Angst, es herauszufinden. Sie schieben sich zum Teil gegenseitig die Schuld zu.
Wenn man selbst derjenige ist, um den sich alle Sorgen machen, denkt man oft, daß es für die anderen besser ist, wenn man sich distanziert und man schämt sich dafür, daß man krank oder schwach ist. Es gibt so vieles, was einem im Kopf herumgeht.
Aber es hilft nicht, wenn man sich als Mutter oder sonstiger Nahestehender Vorwürfe macht, weil das an der bestehenden Situation nichts ändert, sondern nur den Kranken unter Druck setzt.
Verzweiflung und Hilflosigkeit sind auch die Dinge, von denen mir nahestehende Personen immer wieder berichten. Ich rate diesen meistens dazu, sich über das Thema gut zu informieren und vor allem Verständnis zu zeigen. Wir brauchen kein Mitleid, sondern so viel Verständnis wie möglich.
Selbstverletzung ist häufig ein Hilferuf, entweder nach außen oder nach innen, weil man mit seinen eigenen Gefühlen nicht umgehen kann, weil man taub ist. Vielleicht ändert sich bei Ihnen die Situation schon mit ausreichend Verständnis und Nähe.
Wenn es auch Ihnen mit der Zeit immer schlechter geht, wird sich ihre Tochter eventuell dafür schuldig oder verantwortlich fühlen. Versuchen sie, Ihrer Tochter ein Felsen im Sturm zu sein, eine Stütze, die sich nicht auflöst im Unwetter. Sie braucht Beständigkeit und Sicherheit. Seien Sie stark für ihre Tochter, aber behandeln sie sie trotzdem normal.
Nun noch ein Wort zum Thema Klinik: Da ich selbst über Erfahrung in diesem Bereich verfüge, möchte ich Ihnen mitteilen, daß auch dies ein zweischneidiges Schwert ist. Einerseits tut es gut, aus der Alltagssituation herausgenommen zu sein, andererseits ist es schlimm, wieder "zurückzukommen". Außerdem ist es häufig so, daß man dort nicht nur Behandlung wegen eigener Probleme erfährt, sondern auch andere krankhafte Angewohnheiten erlernen kann (in meinem Fall Anorexie), bzw. sich eigene verschlimmern können durch den Austausch mit Mitpatienten. Deswegen bitte konstant Kontakt halten mit den Ärzten und dem Personal.
Trotzdem ist damit, daß Ihre Tochter nun in Behandlung ist, der Anfang in eine Richtung gemacht worden, die auf jeden Fall nicht schädlich ist, sondern Verbesserung oder, weil sie noch so jung ist, auch Heilung bedeuten kann.
Liebe Grüße...