Du bist nicht alleine
Hallo Sonja,
ich hab dieses Forum gerade erst gefunden und ich war mir nicht sicher ob ich mich anmelden sollte. Aber als ich Deinen Beitrag gelesen habe musste ich Dir einfach antworten. Ich kann Deinen Schmerz und Deine Hilflosigkeit nachvollziehen. Ich darf Dir meine Geschichte erzählen, nur damit Du weisst, dass Du nicht alleine bist. Mein Lebensgefährte ist vor 5 Jahren in einem Hospiz gestorben. Er war vorher wochenlang im Krankenhaus und 1 Woche bevor er verstorben ist, rief mich das Krankenhaus an und sagte wir müssen reden. Sie bestellten mich zum Termin und erklärten mir mit hängenden Köpfen, dass es wohl nichts mehr wird. Auf die Frage ob er es schon weiß sagte sie, sie wollten mir nicht vorgreifen. Ich kann in Worten nicht ausdrücken was ich in diesem Moment fühlte. Nicht vorgreifen? Ich sollte zu ihm ans Bett und dann sagen. Hallo Schatz, wie gehts es wird schon wieder? Hatte dann vor dem Zimmer dann erst mal einen Heulkrampf und bemühte mich mir nichts anmerken zu lassen. Gelang mir nicht. Ich glaube, er wusste schon selbst wie es um ihn stand.3 Tage vor seinem Tod wurde er in ein Hospiz verlegt und ich bin im nachhinein froh, dass er dort eingeschlafen ist. Die Schwestern waren unheimlich bemüht und hörten ihm auch zu wenn er reden wollte. Am Tag bevor er einschlief waren seinen Eltern und ich stundenlang zu Besuch und ich verabschiedete mich mit den Worten, bis morgen. Am nächsten Morgen klingelte man mich aus dem Bett mit den Worten, er sei heute nacht für immer eingeschlafen. Wie gelähmt fuhren seine Eltern und ich ins Hospiz, leerten seinen Schrank, fuhren zum Bestattungsinstitut, meldeten das Auto ab. Ich kann mir es nicht erklären, dass wir das alles an demselben Tag geschaft haben. Vielleicht war es der Schock. Wir funktionierten.
Ich habe mich die nächsten 3 Jahre völlig zurückgezogen, ging nicht mehr aus, weinte mich nächtelang in den Schlaf, ging arbeiten. Meidete alle Veranstaltungen wo Pärchen waren. Kein Kino mehr, ab und zu mal Essen mit meiner Familie. Ich habe auch zwei Brüder die mich sehr unterstützt haben . Irgendwann sagte meine Freundin ich solle mit ihr fortgehen, ich muss wieder am Leben teilnehmen, ich bin noch jung (37 J.) auch mein Freund hätte nicht gewollt, dass ich mich zuhause einsperre. Er war sehr lebenslustig. So kam es, dass ich langsam wieder etwas Freude am Leben empfand. Dann lernte ich nochmals einen Mann kennen und ich war so dankbar, ich wollte zuerst gar nicht weil ich ein schlechtes Gewissen hatte aber es tat so gut wieder in den Arm genommen zu werden. Getröstet zu werden. Ich durfte 1 Jahr mit ihm glücklich sein. Er ist vor einer Woche an Nierenversagen gestorben. Gestern haben wir ihn beerdigt. Während ich dies schreibe, laufen mir die Tränen runter. Ich darf wohl nicht mehr glücklich werden. Vielleicht ist das mein Schicksal. Er hatte einen furchtbaren stundenlangen Todeskampf, seine Familie und ich waren bis zuletzt an seinem Bett. Ich hab seine Hand bis zum Schluss gehalten. Er hat sie nochmals gedrückt bevor er einschlief. Gestern nacht lag ich im Bett und weinte fürchterlich sodaß ich keine Luft mehr bekam, ich wollte meinen Computer einschalten und ein Forum wie dieses suchen. Bin dann aber aus Erschöpfung doch eingeschlafen. warum ich Dir meine Geschichte erzählt habe? Liebe Sonja, ich glaube, dass die Nähe zu Deinem Bruder ganz wichtig ist. Halt seine Hand, sei einfach bei Ihm, die richtigen Worte? Ich glaube, die gibt es in so einer Situation nicht. Ich tröste mich mit dem Gedanken, das er jetzt keine Schmerzen mehr hat. Seine Ruhe hat. Vielleicht in einer friedlicheren Welt ist, keine Ahnung ob es sowas gibt. Ich wünsche Dir für die Kommende Zeit viel Kraft und ich hoffe, dass Du eine Familie oder einen Partner hast, der für Dich ist
Gruß von Andrea