Eine andere Seite.
Ich kenne das nur von der anderen Seite.
Aber ich kenne ihn nicht. Also, das ist nur _eine_ andere Seite, und _die_ andere Seite gibt es nicht - außer eben ihn.
Das ist ganz schwer, da irgendwas zu zu sagen, das nicht völlig an _euch_ beiden vorbeigeht. Es ist eben eine andere Situation, weil andere Menschen im Spiel sind.
Aber da du nach Erfahrungen und nicht nach einem Rat fragst:
Meiner Erfahrung nach, kann eine "Mitleidsbeziehung" oder überhaupt eine Beziehung, in der von einer Seite deutlich mehr kommt, traurig enden. Jedenfalls dann, wenn eine Seite sich permanent schuldig fühlt, sich selbst unter Druck setzt, "gleichwertig" zu fühlen oder wenigstens so zu handeln als ob. Das geht schnell ans Ego und ist es einfach nicht wert. Das kann auch zu einer Freiraumproblematik werden, wenn der eine Partner den anderen permanent mit Aufmerksamkeiten überschüttet, ohne dass der das wirklich will und genießen kann - gerade wenn es so eng wird wie in einer Beziehung. Und erst recht, wenn der andere Partner sich falsche Vorstellungen macht, wie so etwas ankommt, und/oder die eigenen Wünsche dabei nicht zurückstellen kann. Bedürfnisse hat jeder, und wenn sich einer nach mehr Nähe sehnt als der andere, dann wird es eben zwangsläufig schwierig.
Einen Rat gebe ich dir doch noch: Wie immer du es angehst, sei so ehrlich, im klarzumachen, dass du die bisherige Nähe zwar genossen hast, aber da definitiv kein Kribbeln und keine Liebe im Spiel ist, die über Freundschaft hinausgeht. Und dass das auch dann nicht der Fall wäre, wenn ihr das wiederholen solltet. Ich rate das zum einen aus Gründen des Fairplay, damit auch er ganz klar weiß, woran er ist mit dir. Und zum anderen, damit du dir nicht irgendwann vorwirfst, dass du ihm falsche Hoffnung gemacht haben könntest oder ihm irgendetwas schuldig geblieben bist. Dann habt ihr beide die gleiche Entscheidungsgrundlage, wie auch immer ihr euch entscheidet.
Und, um noch mal auf meine Erfahrung zurückzukommen: Am schlimmsten fand ich immer Momente der Ungewissheit, wo man an den anderen einfach nicht rankommt, emotional nicht greifbar und damit auch nicht zu verstehen ist. Und sowohl das Verstehenwollen des Anderen als auch das Sicherklärenwollen ist beim auch liebenden Part nunmal stärker ausgeprägt als beim nur genießen wollenden. Darüber sollten sich beide im klaren sein, dass das zu Missverständnissen und Konflikten führen kann. Je näher man sich kommt, um so eher.
Ob man sich darauf einlassen will, und ob es das einem wert ist, muss jede_r selbst wissen.
Ich habe im Moment so etwas laufen, wo ich nach wie vor glücklich mit bin, aber das ist halt auch keine Partnerschaft, und da mache ich mir auch nichts vor, dass das mal eine wird. Ich kann das genießen, aber es ist nicht immer einfach. Für beide Seiten nicht. Es würde so aber auch gar nicht funktionieren, wenn wir nicht beide mit offenen Karten spielen würden. Man muss viel Einfühlungsvermögen mitbringen und voreinander absolut zu sich stehen können, sonst hat es überhaupt keinen Zweck. Und man lernt sich auf jeden Fall auch selbst besser kennen dabei.
OK, noch einen Ratschlag gebe ich dir: Wenn du nicht bereit bist, dich auch ohne Liebe zumindest emotional auf ihn einzulassen, wenn du nur die Streicheleinheiten mitnehmen und sonst eine einfache Gutwetterfreundschaft führen willst, lass es besser ganz sein. Die Gefahr, dich da in mehr reinsaugen zu lassen oder ihn zu verletzen, wenn du nicht offen zu deinen Gefühlen stehst, sondern die Verschlossene gibst, ist jedenfalls gegeben.
Vorteile: Man kennt sich gut und weiß, was der andere mag. Man hat keine Riesenerwartungen. Man geht entspannter miteinander um.
Nachteile: Man weiß nicht genau, was der andere fühlt. Man fragt sich, was man verpasst. Die körperliche Extase bleibt aus.