Ich weiß garnicht, wo ich anfangen soll. Ich war 15/16 als ich von der Krebserkrankung meiner Mutter erfuhr. Meine Eltern waren geschieden, meine ältere Schwester ausgezogen und verheiratet und somit blieb alles an mir, meine Kindheit/ Jugend war zu Ende und ich musste ganz schnell Erwachsen werden. Versteht mich nicht falsch, meine Mama war meine beste Freundin, meine Welt und ich hab alles gerne getan, aber es kann so Kräfte zehrend sein die Auswirkungen der chemo zu sehen, nebenbei den Haushalt zu schmeißen weil die Mama einfach nicht mehr kann, nicht zu schlafen weil sie sich übergibt und dann am nächsten Tag zur Schule zu gehen als ob nichts wäre. Mich hat es damals sehr mitgenommen meine Mutter so leiden zu sehen und ich weiß nicht wie ich es So überhaupt durchs Abitur geschafft habe aber auch das haben wir gemeistert. Damals gaben die Ärzte ihr noch 2 Jahre. Es folgten 3 Chemotherapien, etliche Operationen, ständige Krankenhaus Aufenthalte. Statt den prognostizierten 2 Jahren hielt sie insgesamt noch 5 Jahre durch und ich bin dafür auch sehr dankbar. Heute bin ich 21, Ende März ist meine Mutter gestorben, an den Folgen eines Darmverschlusses ausgelöst durch ein Medikament, was ihr paradoxerweise eigentlich helfen sollte, dass der Krebs sich langsamer ausbreitet. Ich erspar euch jetzt die Einzelheiten wie so ein Darmverschluss verläuft - sehr unschön. Ich hab meine Mama zum Pflegefall werden sehen innerhalb kürzester Zeit. Sie konnte nicht mehr alleine laufen, sich waschen und sie musste künstlich ernährt werden, weil sie ihr Essen nicht bei sich behalten konnte. Das Morphium gegen die Schmerzen sorgte dann auch noch dafür, dass sie immer wieder Aussetzer hatte mich teilweise im Krankenhaus nicht mehr erkannte, wollte das ich gehe. Ich hab mir trotzdem von der Arbeit frei genommen, hab mir vom Krankenhaus ein Bett in ihr Zimmer stellen lassen um bei ihr zu sein. Es war auch finanziell nicht einfach mit einem Gehalt was plötzlich weg viel, weshalb ich mich gegen ein Studium und für den direkten Einstieg ins Berufsleben entschied. Ich hatte Glück. Bin mittlerweile voll berufstätig und habe eine leitende Position in meiner Firma, die damals durch mein vieles Fehlen auch gefährdet war, aber mir war es einfach wichtiger bei meiner Mutter zu sein, Vorallem weil ich nicht wusste wie schnell es zu Ende geht. Ausgerechnet an meinem ersten Arbeitstag nach 4 Wochen Aussetzen, kam dann der Anruf aus dem Krankenhaus. Ich weiß noch, dass ich nur gehofft habe sie wartet noch darauf das ich im Krankenhaus ankomme bevor sie geht. Sie lag dann noch 7 Stunden in eine Art Wachkoma wenn man das so nennen kann (Augen offen, unwillkürliche Bewegungen aber nicht ansprechbar) , ich hielt ihre Hand und hatte meinen Kopf auf ihrer Brust. Sie drückte noch einmal fest meine Hand, bevor ich dann hörte dass ihr Herz nicht mehr schlug. Ich werde diesen Augenblick in meinem Leben niemals wieder vergessen.
Jetzt nach dem Tot meiner Mutter, ist alles noch schlimmer geworden. Ich weiss noch das ich genau einen Tag Zeit hatte um zu trauern einfach zu weinen, bevor es anfing das von allen Seiten irgendwelche Dinge erledigt werden mussten. Ich musste die Beerdigung organisieren, überall anrufen das meine Mutter verstorben war. Hilfe hatte ich dabei nicht sonderlich viel, meine Schwester ist eher ein Mensch der solche Dinge komplett ausblendet. Es stellte sich relativ früh raus, dass es leider nur einen Berg von Schulden zu erben gab. Die Beerdigung/ Trauerfeier und den Grabplatz habe ich von meinem ersparten, was eigentlich für ein späteres Studium gedacht war bezahlt. Wegen der Schulden haben wir das Erbe beim nachlassgericht ausgeschlagen. Trotzallem schreiben immer wieder Gläubiger meine Mutter an und ich bekomme die Briefe in ihrem Namen da ich immernoch in der gemeinsamen Wohnung wohne. Ich führe seit 6 Monaten jede Woche mindestens 3 Telefonate in denen ich wiederholt erklären muss das meine Mutter verstorben ist, das macht es nicht einfacher über den Verlust hinweg zu kommen. Die Möbel in unserer Wohnung sind Bestandteil der Schulden, weshalb ich mir nun überlegen muss ob ich mir komplett neue Möbel kaufe oder die Schulden doch übernehme, ansonsten werden diese demnächst abgeholt. Die gemeinsame Wohnung in der ich aufgrund der geringen Miete ( eine andere Wohnung in der Lage kann ich mir momentan nicht leisten und ich wohne hier seit 15 Jahren) bleiben möchte, läuft noch auf den Namen meiner Mutter da ich wegen des ausgeschlagenen Erbes den Mietvertrag nicht automatisch überschreiben kann. Mein Vermieter hat sich mittlerweile bereit erklärt den Mietvertrag auf mich zu überschreiben unter der Bedingung das ich erneut die Kaution von 3.600 bezahle und vorher die Türen die mittlerweile beschädigt sind austausche (kosten: 1000). Eben kam jemand von der Krankenkasse und wollte nach sage und schreibe 6 Monaten den Rollator meiner Mutter abholen, obwohl ich direkt nach dem tot meiner Mutter Bescheid gesagt habe das dieser im Krankenhaus in dem sie verstorben ist abgeholt werden muss. Es fühlt sich einfach an als würde man für den tot einer geliebten Person auch noch bestraft, als müsste man sich ständig rechtfertigen für die Schulden, die man ja selbst garnicht angehäuft hat. Ich liebe meine Mutter und ich kann und will ihr deshalb auch nicht böse sein aber ich komme einfach nicht zur Ruhe und ich bin mit meiner Kraft einfach am Ende. Ich musste mir das einfach mal von der Seele schreiben.