orrell_11910538An baerchwue: Keine Gnade für Täter: Wir stehen auf des selben Seite,
aber wir haben unterschiedliche Ansätze, wie wie das erreichen wollen. Du siehst den Hammes des Gesetzes (der in meinen Augen im Falle von Vergewaltigung eher einer Feder entspricht), ich sehe das Opfer. Ich wettere seit Jahren, dass es für Opfer zu schwer gemacht wird. Heute weiß ich nicht mehr, wie viele Prozesse ich schon mit vorbereitet habe, aber es müssen mehr als 50 sein. Ich betreue die Opfer psychologisch - sowohl vor als auch nach dem Prozess. Und die Nachsorge ist komischerweise immer aufwändiger, als die Vorbesprechung. Sagt dir das was? Wenn Frauen nach dem Prozess mehr Betreuung brauchen, als vorher, dann scheint der ihnen nicht richtig gut getan zu haben, oder?
Ich bewundere und unterstütze alle Frauen, die sich für eine Anzeige entscheiden, ich bewundere und unterstütze aber auch die Frauen, die das nicht schaffen, denn hier gibt es nicht "besser" und "schlechter", sondern nur die Selbsteinschätzung.
Ich kenne einige Leute vom Weißen Ring, die sich auch öffentlich dazu bekennen, dass sie durchaus zu einer Anzeige raten. Aber sogar sie gestehen einem Opfer die eigene Entscheidung zu. Sie kümmern sich um die Opfer, stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite und übernehmen sogar eine Menge Kosten. Wenn sogar diese wunderbare Organisation (der meine Liebe und Dankbarkeit gehört), Betroffene allein entscheiden lässt, solltest du, der du sonst nichts für die Opfer zu tun scheinst, das dann nicht erst recht respektieren?
Du sagst, die psychologische Betreuung "sollte das Opfer aufbauen, dass es nach einer gewissen Zeit, die Stärke hat, alles durch zu stehen". Genau das versuchen wir. Bei manchen geht es ziemlich schnell, andere "kauen" sehr lange an den psychischen Verletzungen. Wenn man aber gute physische Beweise haben will, muss man innerhalb von 2 -3 Tagen anzeigen. Die Zeit reicht - und ich denke da sind wir beide uns einig - mit Sicherheit nicht für eine Stärkung aus. Ich traue mir nicht zu, eine Frau in nur 72 Stunden für einen Prozess fit zu machen.
Du hast mir einen massiven Vorwurf gemacht. Meine Texte wären ein Abraten was Anzeigen betrifft. Ich habe dich gefragt, wie du darauf kommst und erhalte darauf keine Antwort. Du schüttelst entsetzt den Kopf und ich will wissen, weswegen. Jetzt frage ich nochmal: Wo hast du einen Text von mir gelesen, in dem ich einem Opfer geraten habe, nicht anzuzeigen?
Ich habe die "Kirchensache" verfolgt. Wir sind da einer Meinung. Es ist ein Unding, was da passiert ist. Aber glaubst du im Ernst, dass man sich gerade in den Fällen an den Opfern abarbeiten sollte? Kindern, die von ihren Eltern voller Vertrauen in die Hände von Geistlichen gegeben wurden und von ihnen - geliebten Autoritätspersonen - gräßliche Sachen erlebt haben? Verwechselst du da nicht etwas?
Wenn irgendwo in der Welt eine Vergewaltigung passiert, ist immer nur einer schuld: Der Vergewaltiger. Und sonst gar niemand. Frühere Opfer sind absolut unschuldig und es ist in meinen Augen ein Verbrechen, wenn man ehemaligen Opfern einreden will, sie seien schuld an neuen Vergewaltigungen, weil sie nicht dir Kraft besitzen, einen Täter anzuzeigen. Wenn du Schwierigkeiten hast, das zu verstehen, dann übertrage diese Verletzungen doch einfach mal aufs Körperliche. Stell dir vor, das Opfer habe seine Gliedmaßen dadurch verloren. Würdest du jetzt einen Dauerlauf erwarten?
In einer ländlichen Gegend kann es übrigens genauso passieren, dass Opfer, die sich endlich trauen über schreckliche Dinge zu reden, als Nestbeschmutzer ausgegrenzt werden.
Ich finde es schön, dass du dich mit traurigen, schlimmen Vorfällen beschäftigen willst, würde dir aber dringend raten, keine voreiligen Ratschläge und erst recht keine Urteile abzugeben. Es wäre super, wenn du Opfer als die akzeptieren könntest, die sie nach einer Gewalttat sind und sie nicht in eine Schablone pressen könntest, in die sie nicht passen.
Solltest du aber versuchen, unsere Gerichtsbarkeit zu mehr Menschlichkeit zu bewegen, hast du meine volle Unterstützung. Lass uns auf dem Sektor zusammenarbeiten statt die Schwachen für die Unzulänglichkeit von Gesetzgebern anzuprangern.
Ich wünsche dir alles Gute,
Nelly