Ich veröffentliche dies hier nun einfach, ist ja anonym, ich muss es einfach mal loswerden. Was haltet ihr davon?
Ich weiß nicht was mit mir los ist, seit Monaten denke ich darüber nach wie ich mich verändert habe, entwickelt, wie auch immer. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen und werde es wohl auch nicht tun, außer hier anonym.
Ich fang mal vorne an:
Ich war als Kind sehr viel allein, da meine Eltern beide bis Abends gearbeitet haben.
Ich kam damit nicht sonderlich gut klar. Als ich dann endlich eine 4er Clique um mich aufgebaut hatte ging es mir besser. Ich wollte nicht mehr alleine sein und es ging mir schlecht, wenn keine meiner Freundinnen Zeit hatte oder alle in den Sommerferien weg waren, ich aber nicht.
Mit 17 zog ich von zu Hause aus in eine andere Stadt um dort mein Fachabi zu machen.
Ich habe alle meine Freunde hinter mir gelassen. Mit meiner besten Freundin, Anika hatte ich noch Kontakt. Wir beide entwickelten uns in die selbe Richtung, wir hörten gerne Punk Musik, feierten viel, trugen ziemlich ausgefallene Klamotten, die mich heute an Pipi Langstrumpf erinnern. Wir hatten viel Spaß zusammen! Irgendwann färbten wir uns die Haare pink und blau und nannten uns Punker. Da wir aber mittlerweile fast 90 Km auseinder wohnten und ich nur am Wochenende in meine Heimatstadt zurückkehrte, suchte Anika sich neue Freunde. Ich fand in der Kleinstadt in der ich nun wohnte aber niemanden, daher fuhr ich immer öfter mit dem Zug nach Bremen. Als 18 jährige Punkerin fiel es mir total leicht dort Anschluss zu finden. Ich fand neue Freunde und verliebte mich auch, in Pascal.
Er zog bei mir ein, ca 30 km vor Bremen und wir waren ein Paar. Erst lief alles wunderbar, doch ich merkte schnell, dass er nicht ganz dicht war. Auch wenn er wusste, dass ich am nächsten morgen früh zur Schule musste hielt er mich bis in den frühen morgen wach und machte mir ein schlechtes Gewissen wenn ich ihm sagte, dass ich schlafen müsse. Ich war damals so schwach, ich habe mich total von ihm beeinflussen lassen. Er trank sehr viel und irgendwann nahm er Drogen. Er tickte aus und legte meine komplette Wohnung in Schutt und Asche, dann machte er sich davon. Völlig aufgelöst fuhr ich zu meinen Eltern, die mich herzlich empfingen und mich wieder aufpäppelten. Pascal rief bald wieder an und als ich wieder in meiner Wohnung war kam er vorbei und ich ließ ihn rein.
Er überredete mich mein Fachabi abzubrechen um mit ihm nach Emden in Ostfriesland zu gehen um, und ich kann nicht fassen, dass ich das getan habe, mit ihm dort auf der Straße zu leben!
Ich habe es getan, ich kann es nicht fassen wie ich so dumm und naiv sein konnte...!?
Wir blieben für 8 Monate in Emden, ich begann Haschisch zu rauchen und viel zu trinken. Wir schliefen draußen auf einem alten Bahngelände.
Er tickte, wenn er betrunken war immer öfter aus, es war unfassbar. Er verstreute alle meine Klamotten im Regen vor dem Bahngelände, er schlug mich mit einer herum liegenden Eisenstange fast bewusstlos.
Wir kannten mittlerweile in Emden einige Leute und ich rannte davon und kam bei einem dieser Leute unter. Ich blieb für eine Nacht und rannte dann wieder zu meinen Eltern, die mich wieder aufnahmen. Ich kam aber von Pascal nicht los, ich dachte, wenn er weg wäre würde ich wieder allein sein und das konnte ich nicht ertragen. Wir machten einen Ausflug nach Kiel und wollten dort am Strand in einem Zelt schlafen. Es war mitten in der Nacht und wir begannen uns zu streiten. Er schlug mich wieder, die Polizei kam und ich wollte mit ihnen mit fahren, doch Pascal ließ mich glauben, dass die mich für die Nacht in eine Zelle sperren würden und ich glaubte ihm!
Wir stritten uns weiter und er nahm meinen Rucksack und schleuderte alle meine Sachen in der Nacht in die See und die Dünen.
Dann baute er ein Zelt auf und ging schlafen. Es wurde kalt, aber er ließ mich nicht in das Zelt. Ich lief davon, suchte ein paar meiner Sachen zusammen und rollte mich dann für ein paar Stunden im kalten und feuchten Sand zusammen. Als es hell wurde lief ich zum Busbahnhof, erschnorrte mir ein paar Euro und fuhr wieder zu meinen Eltern.
Das war das letzte mal, danach habe ich Pascal verlassen, aber von meinem Punker Dasein kam ich nicht los.
Ich zog zu Freunden nach Bremen und lernte Daniel kennen. Ich erzählte ihm alles über Pascal und als dieser eines Tages auftauchte schlug Daniel ihn zu Brei. Ich fühlte mich beschützt und hielt das für gerecht. Daniel wurde also mein neuer Freund und wir zogen zusammen in eine Wohnung nach Hamburg. Ich begann hin und wieder Amphetamine zu nehmen, er tat das auch. Es ging alles wieder von vorne los!
Er schlug mich auch. Warf Geschirr nach mir, in der Küche stand eine große Auflaufform in der ich für ihn Kartoffelauflauf gemacht hatte und die nun mit Wasser gefüllt war um ein zu weichen. Ich hatte mich in meinem Zimmer eingesperrt, doch er trat die Tür auf und übergoss den Inhalt über mich, dann warf er die schere Form nach mir.
Er betrog mich und stellte mich als die eifersüchtige Irre dar, wenn ich ihn erwischte. Er wollte immer wieder 3er haben, als Sex mit mir und einer anderen Frau. Doch es war dann meist so, dass er mit ihr Sex hatte und ich beleidigt daneben lag.
Unfassbar! Ich schreibe das hier grade auf und mir läuft echt der Schweiß und das Herz wummert mir bis zum Hals.
Ich schaffte mir eine Hündin an, sie half mir über all das hinweg zu sehen. Er schlug mich weiter und ich verlief danach immer mit meinem Hund das Haus. Einmal übernachtete ich im Park mit ihr, weil ich mich nicht nach Hause traute.
Irgendwann warf ich meine Punker Maske ab, die ich mir nur aufgebaut hatte um mir die Menschen vom Hals zu halten.
Ich färbte mir die Haare schwarz und ließ sie wachsen. Ich schöpfte Kraft Daniel zu verlassen und ging wieder zurück zu meinen Eltern, die bis heute nicht die Ganze Geschichte kennen und sie nahmen mich wieder auf, obwohl sie mich schon fast aufgegeben hatten.
Ich machte meine Ausbildung zu ende und fand Arbeit beim Fernsehen als Redaktionsassistentin.
Ich nahm meine Piercings raus und legte meine dicken Ketten ab. Ich fand den Kontakt zu einer alten Freundin wieder und lebte von dort an erst mal meine verlorene Jugend aus, ich ging Tanzen, hatte normalen gewaltfreien Sex und begann viel Sport zu treiben anstatt Drogen zu nehmen.
Mittlerweile bin ich 24 und seit 3 Jahren ist all der Spuk vorbei. Daniel und Pascal sind aus meinem Leben verschwunden und ich bin stark geworden.
Doch all dies hat Spuren hinterlassen und damit meine ich nicht die offensichtlichen Narben, die Daniel mir zum Beispiel mit einem Zigarettenstummel auf den Bauch gebrannt hat. Ich meine die Narben, die in mir sind und die auch nicht vollständig verblassen.
Viele Ereignisse habe ich soweit verdrängt, dass ich nur noch Bruchstücke davon weiß. Auch wenn ich mein Leben nun im Griff habe, hatte ich immer das Gefühl das alles Mal los zu werden.
Ich habe mich vollständig in Arbeit und Sport gestürzt und einen tollen Freund gefunden, Mat. Er lebt ziemlich weit weg von mir und wir sehen uns nur am Wochenende.
Es sollte nun alles gut sein, auch wenn ich mir andere Menschen immer noch vom Hals halte und kaum Gefühle zulasse. Ich liebe meine Eltern und meinen Hund, aber ansonsten ist dort nicht viel in mir.
Mat ist so wunderbar, er ist ganz anders als meine Exfreunde, er ist liebvoll, trägt mich auf Händen, schickt mir Blumen auf die Arbeit, hinterlässt mir kleine Botschaften auf meinem Spiegel usw. Der Sex ist auch einfach nur liebevoll.
Das Problem ist, dass ich das alles nie gelernt habe. Oh Gott das ist mir so peinlich!
Ich kann mit liebevoll nichts anfangen. Ich fühle dabei nichts. Er liebt mich und ich sollte ihn auch lieben, ich habe mich auch in ihn verliebt und es war alles toll mit ihm, ich dachte ich kann das so! Ich dachte ich kann anders!
Ich kann es offensichtlich nicht. Meine Vergangenheit kommt immer wieder in mir hoch.
Wir sind jetzt seit 1,5 Jahren zusammen und mittlerweile frage ich mich wie es weiter gehen soll. Irgendwann will er doch sicher mit mir zusammen ziehen? Ich kann das nicht! Ich habe meine Mauer um mich aufgebaut und kann diese nicht niederreißen. Wenn er bei mir wohnen würde, müsste ich aber zumindest einige Fenster in diese Mauer hauen. Er weiß von allem was war nichts!
Ich halte es mittlerweile vor meiner Umgebung vollständig verschlossen, wer ich bin und wie es in mir aussieht. Ich verstecke mich hinter einer Maske, auch wenn diese manchmal bröckelt und meine Mitmenschen dann sagen, so hätte ich dich gar nicht eingeschätzt!
Es ist immer noch dunkel in mir auch wenn ich das sehr gut zu verstecken weiß. Würdet ihr mich treffen, würdet ihr denken ich bin eine lebenslustige Junge Frau, die offen auf alles und jeden zu geht und jede Herausforderung annimmt.
Ich will nicht, dass er weiß, wer ich wirklich bin. Oder ist das falsch, wer ich war?