Hallo,
ich (36) bin neu hier und dies ist mein erster Beitrag. Keine Ahnung, ob ich hier richtig bin, aber ich versuch es einfach mal. Sorry schonmal, dass es sehr sehr lang wird, aber ich muss mir mal alles von der Seele schreiben.
Weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll. Ganz vorne?
Meine Kindheit war sehr von der lieblosen Beziehung meiner Eltern zueinander geprägt, ständige Streits, wochenlanges Anschweigen zwischen ihnen war normal. Mein Vater war/ist sehr dominant und launisch, meine Mutter sehr warmherzig und schwach. Ich war (auch als Kind) immer ihre Stütze. War ein sehr angepasstes, zurückhaltendes, ernstes Kind, das nie Probleme gemacht hat. Auf allen Zeugnissen nur Einsen. Und war eine talentierte und fleißige Klavierschülerin.
Mein Bruder (1 Jahr älter) dagegen war immer das "Problemkind", meine Mutter hat sich immer um ihn Sorgen gemacht, er war sehr ruhig, Einzelgänger, wurde in der Schule sehr gemobbt (habe ihn, so gut es ging, versucht in Schutz zu nehmen), mein Vater hat ihn nie akzeptiert, er wollte immer einen "richtigen" Jungen, nicht so einen ängstlichen, schüchternen.
Ich kann mich wenig erinnern, wie ich mich als Kind/Jugendliche gefühlt habe. Aber ich war oft sehr einsam und unglücklich. Hatte immer große Angst zu versagen, in der Schule mal nicht die Beste zu sein. Hatte keine richtigen Freunde, sondern zu allen Mitschülern guten, aber nicht engen Kontakt, keine beste Freundin oder so. Mit 12 hab ich mich das erste Mal verliebt und war viele Jahre (ca. 6?) von weitem in einen Jungen aus meiner Schule verliebt, der mich nie beachtet hat. Auf ihn zuzugehen, habe ich mich nie getraut und so habe ich jahrelang nur in mein Tagebuch geschrieben. Ich habe mich häßlich und minderwertig gefühlt. Alle Mädchen meiner Klasse wurden umschwärmt von Jungen, mich hat niemand beachtet. Schon damals hab ich gedacht, dass irgendwas mit mir nicht stimmt. Ich hab mir oft gewünscht, tot zu sein.
Mit 17 bin ich magersüchtig geworden, nach einem Jahr ging es über in Bulimie. In der Zwischenzeit zog ich zu Hause aus und begann zu studieren (Klavier). Die Einzelheiten führen jetzt zu weit, aber mein Unglücklich-Verliebtsein setzte sich fort. Ich war lange in einen Mitstudenten verliebt, der mich natürlich auch nicht beachtete. In meiner in der Zwischenzeit begonnenen Psychotherapie fasste ich endlich den Mut, ihn anzusprechen (-schreiben), aber er war natürlich nicht an mir interessiert. Einen anderen Mann, in den ich mich in der U-Bahn verknallt hatte, sprach ich auch an, mit dem gleichen Ergebnis. Ich machte mich jedes Mal am Ende so lächerlich, weil ich es nicht aushalten konnte und bescheuerte Briefe schrieb.
Ich lernte mit 23 meine erste große Liebe kennen. Nach der ersten gemeinsamen Nacht (mit nur Kuscheln!) stellte er fest, dass "unsere Chemie nicht stimmen würde". Wir waren also nur befreundet, aber ich verzehrte mich nach seiner Nähe, meine Sehnsucht nach Wärme, Geborgenheit und Nähe war unendlich groß. Nach 3 Monaten brach er den Kontakt ab. Ich war total am Ende. Aber er hatte mir auch eine neue Welt gezeigt, in die ich mich nun vorwagte. Ich fing an auszugehen, tanzen zu gehen, Spaß zu haben. Es war eine tolle Zeit.
Ich war zeitweise in mehrere Männer gleichzeitig verliebt, aber keiner von denen hatte Interesse an mir. Ich habe mir so oft Hoffnungen gemacht, wo es keine gab. Einen Mann sprach ich mutig im Café an, wir hatten ein tolles Wochenende und ich schwebte im 7. Himmel, bis er mir ein paar Tage später sagte, dass er sich geirrt habe und den Kontakt abbrach.
Meine zweite große Liebe sprach ich in einem Club an, nachdem er mich den ganzen Abend mit den Augen verfolgte. Wir näherten uns langsam an und es war sehr schön. Er schien mich wirklich zu mögen. Nach 3 oder 4 Wochen zog er sich jedoch immer mehr zurück und machte mir klar, dass aus uns nichts werden kann. Ich liebte ihn. Ich hatte Hoffnung, dass er seine Meinung ändert. Wir hatten fast 5 Jahre lang eine "Beziehung", die keine war. Wir trafen uns ab und zu, unternahmen zusammen etwas und hatten Sex. Ich war so blöd zu glauben, dass er mich lieben würde. Wir haben nie über Gefühle geredet und ich traute mich nicht, ihn darauf anzusprechen, weil ich im Innern wohl längst wusste, dass er mich nicht will. Nachdem ich endlich eine Aussprache initiierte, gings mir so schlecht wie noch nie. Ich wollte nur noch tot sein. Ich schrieb wieder blöde Briefe voller Selbstmitleid in der Hoffnung, ihn umzustimmen. Machte mich total lächerlich in meiner Verzweiflung. Ich brauchte 2 Jahre, um ihn zu vergessen.
In der Zwischenzeit war ich immer wieder unglücklich verliebt. Nie hatte ein Mann wirkliches Interesse an mir. Ich habe vieles in meinen Tagträumen kompensiert, stellte mir vor, wie schön es wäre, geliebt zu werden. In der Realität gab es das nicht. Nur eine riesige Sehnsucht und die Angst, dass es immer so bleiben würde.
Meine Essstörung hatte erhebliche Ausmaße angenommen, ich gab Unmengen für Essen aus, das ich jeden Abend in mich hineinstopfte, um es wieder zu erbrechen. Bis zu 10mal täglich. Meine erste Therapie hatte mir v.a. gefühlsmäßig sehr geholfen, ich lernte, meine Bedürfnisse mehr zu empfinden und darüber zu reden, ich lernte auch wieder zu weinen, was ich viele Jahre gar nicht konnte. An der Bulimie änderte sich nichts, es wurde immer schlimmer. Ein zweimonatiger Klinikaufenthalt half mir überhaupt nicht, in der Klinik war ich eine perfekte Patientin, vorbildlich in jeder Therapie, kotzte nicht mehr und nahm gehorsam zu. Als ich wieder zu Hause war, hielt ich das noch ein paar Tage durch, aber dann verlor ich die Beherrschung und es wurde noch schlimmer, als es je zuvor gewesen war.
Durch meine damalige "Selbstfindungsphase" (ausgehen, Spaß haben, lockerer werden) hatte sich dann aber anscheinend wirklich etwas verändert in mir. Ich war mehrmals kurz davor, mein Studium zu schmeißen, hab es dann aber doch mit sehr gutem Abschluss zu Ende geschafft, worauf ich sehr stolz war. Lange hatte ich nur das Gefühl, einen von anderen (Eltern, Lehrer) vorbestimmten Weg beschritten zu haben und wusste nicht, was ICH wirklich wollte, aber ich hatte mich nun endlich bewusst für mein Fach entschieden und war sogar mit Spaß und Herz bei der Sache. Wo ich früher verbissen 6 Stunden am Tag geübt hatte, bewältigte ich nun das gleiche Pensum in der Hälfte der Zeit und mein Prof war überrascht, mit wieviel Ausstrahlung ich plötzlich spielte. Dazu war ich wie gesagt sehr nachtaktiv, ging fast jede Nacht tanzen und fing an, Platten zu kaufen und selbst aufzulegen und habe sogar eine Zeit lang 2 eigene Partyreihen betrieben. Das alles immer parallel zu meinem unglücklichen Verliebtsein.
Nach einer erneuten Therapie hab ich dann vor 10 Jahren den endgültigen Absprung aus der Bulimie geschafft. Ich weiß nicht genau wie, aber ich habe von einem Tag auf den anderen aufgehört zu kotzen. Plötzlich ging es ganz einfach. Meine damalige Therapeutin meinte in der letzten Stunde, dass ich nun sicher auch bald eine glückliche Beziehung haben würde. Tja. Ich hatte Hoffnung. Trotz der erneuten erfolglosen Versuche.
Vor 5 Jahren schrieb mich T. in einem Singleforum an. Er fand mich toll und ich ihn. Das erste Mal in meinem Leben habe ich mich wirklich geliebt gefühlt, ich konnte genau so sein, wie ich war, es war so, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte. Ich war sooo glücklich - für ein paar Tage. Dann die Katastrophe: er gestand mir, verheiratet und zweifacher Vater zu sein. Obwohl mir mein Verstand etwas anderes sagte, konnte ich nicht anders. Wir hatten eine kurze und (von beiden Seiten) sehr intensive "Affäre". Es war wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt, er war in der schlimmsten Krise seines Lebens, ich habe versucht, ihm zu helfen, konnte es aber natürlich nicht. Ich habe ihn soooo sehr geliebt und tu es immer noch. Als klar wurde, dass er seine Familie (die Kinder) nicht aufgeben wollte, fiel ich in das allertiefste Loch meines Lebens. Ich war verzweifelt, wollte sterben und offenbarte auch T. diese tiefsten Tiefen meiner Seele. Badete in Selbstmitleid, so dass er mir vorwarf, ich würde eine Sinnlücke mit ihm füllen wollen und dass er nicht dafür herhalten wolle, und dass er Angst hätte, "dass ich ihn in meine Verzweiflung mit hinunterziehen würde". Dabei habe ich mich nur nach Wärme und Geborgenheit gesehnt.
Ich wusste nicht, wie ich das alles aushalten soll und habe seine räumliche Nähe gesucht, saß lesend auf einer Bank in der Nähe seiner Wohnung, radelte über das Klinikgelände, wo er arbeitete. Ich wollte natürlich nicht, dass er mich sieht. Er hat mich wohl doch gesehen, bekam riesige Angst vor mir, dass ich alles auffliegen lassen würde, was ich selbstverständlich niemals vorhatte!! Er schrieb mir dann eine Mail, dass ich ihn in Ruhe lassen solle. Was ich getan habe. Nur zum Geburtstag schrieb ich jedes Jahr eine kurze Mail und entschuldigte mich auch für mein Verhalten. Er hat nie reagiert. Ich habe gehofft. Ich weiß, dass er der Richtige war und ist. Habe mir Kraft aus meinen Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit geholt. Und auf die Zeit vertraut.
Nun habe ich vor 2 Monaten zufällig mitbekommen, dass er sich irgendwann doch von seiner Frau getrennt hat. Ich war total vor den Kopf geschlagen! Ich weiß nichts genaues, stehe absolut im Dunkeln. Nach langem Hin- und Herüberlegen entschied ich mich, ihm kurz zu schreiben, dass ich mich freuen würde, von ihm zu hören. Zwei Wochen später kam die Antwort: "Bitte akzeptiere, dass ich nicht mehr von dir angeschrieben werden möchte."
Ich habe alles falsch gemacht. Am Anfang hat er mich sehr gemocht, vielleicht sogar geliebt. Dann hat er mich näher kennengelernt, meine Verzweiflung, mein Selbstmitleid, die depressiven Gedanken, meine Todessehnsucht mitbekommen. Vielleicht hasst er mich jetzt. Erstens war ich der Anfang vom Ende seiner Ehe und zweitens hält er mich nun sicher für eine durchgedrehte Psychopathin. Ich bin kein Monster!!! Oder doch?
Er wird für immer in meinem Herzen sein. Ich glaube, nein ich weiß immer noch, dass er der Richtige ist. Aber es tut so weh! Er will nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich hätte so gern wieder in seine Augen gesehen. Mit ihm gelacht. Ich war zur falschen Zeit am richtigen Ort und habe alles versaut.
Ich habe mich in den letzten Jahren sehr zurückgezogen. Gehe nicht mehr aus. Habe mich auf meinen Job konzentriert. Ich kann irgendwie die Nähe von Menschen nicht mehr ertragen. Habe lange Zeit versucht, alles mit mir allein auszumachen, was auch sehr gut funktioniert hat. Mit meiner besten Freundin kann ich über fast alles reden, was ich erst seit ein paar Wochen wieder teilweise mache. Es geht mir gut allein. Ich fühle mich nicht einsam. Ich war mein ganzes Leben allein und fühle mich wohl so. Wenn da nicht die Sehnsucht wäre.
:cry:
Die andere Sache ist meine Familie. Mein Bruder hat seit seiner Lehre immer wieder davon geredet, sich umzubringen. Zeitweise ging es ihm wieder besser, aber eigentlich war das immer ein Thema. Meine Mutter litt sehr die ganzen Jahre (er lebt noch im Haus meiner Eltern, da er eine Arbeitsstelle im Ort hatte).
Nun ist er seit 9 Monaten krankgeschrieben und hat sich anscheinend eine Berufskrankheit zugezogen (Schädigung des Gehirns durch Chemikalien). Er ist völlig ausgetickt, ist davon überzeugt, dass er nur noch ein paar Jahre zu leben hat (obwohl das niemand bestätigt hat). Der erste Rentenantrag und die Anzeige bei der Berufsgenossenschaft wurden abgelehnt. Er sagt immer wieder, dass er sich besser umbringen sollte. Dass er nicht mit der Krankheit leben will (starke Kopfschmerzen bei Belastung, Sehstörungen, Missempfindungen, Konzentrationsstörungen). Dass er nicht jahrelang auf die Rentenbewilligung warten will. Einmal hatte er sich Gift besorgt und mir gegenüber Bemerkungen fallen gelassen, dass er wüsste, wie er das Problem lösen werde. Meine Mutter und ich konnten das Schlimmste verhindern. Mit meinem Vater kann man über all das nicht reden, er und mein Bruder hassen sich, mein Vater meint, dass mein Bruder zum großen Teil simuliert. Ich kann es selbst nicht einschätzen, wie schlecht es ihm geht, kann eigentlich nicht sagen, dass er viel anders geworden ist, aber ich bin ja auch nicht ständig dort. Meine Mutter lebt in ständiger Angst, hat niemanden (außer mir), mit dem sie darüber reden kann.
Mein Bruder hätte dringend eine Psychotherapie nötig, das wäre schon vor vielen Jahren angezeigt gewesen, aber er weigert sich. Er ist launisch ohne Ende, hat keine sozialen Kontakte, hatte nie eine Freundin, keine Freunde. Ist manchmal fremden Leuten gegenüber total distanzlos im indirekten Kontakt (Telefon, Internet), reale Kontakte bekommt er überhaupt nicht geregelt oder nur sehr schwer. Und es ist ihm anscheinend völlig gleichgültig, was seine Selbstmorddrohungen bei meiner Mutter und mir bewirken.
Über Ostern (ich war bei meinen Eltern) war es besonders schlimm, nachdem eine Hausbesichtigung eskalierte. Er hat sich in den Kopf gesetzt, unbedingt von zu Hause weg zu müssen (finde ich gut) und ein Haus kaufen zu wollen (völlig unrealistisch!!!). Wie ein trotziges Kleinkind beharrt er darauf, dass eine Mietwohnung nicht in Frage kommen würde. Von Auswandern nach Italien hat er auch schon geredet. Keinerlei Überzeugungsversuche meinerseits und von meiner Mutter helfen. Wir haben uns also nach Ostern ein Haus, das er sich im Internet ausgeguckt hat, angesehen und er hat sich unmöglich benommen. Fand es blöd und ist einfach weggegangen, hat meine Mutter und mich mit dem Makler allein gelassen und hat sich nicht mehr blicken lassen, angeblich hatte er wieder so starke Kopfschmerzen. Ich war wütend ohne Ende. Er begründet sein Verhalten jetzt immer damit, dass er krank ist! Er benimmt sich völlig daneben und sagt, er könne nichts dafür, denn sein Gehirn wäre kaputt. Er ist völlig ausgeflippt und sagte, dass er nun doch kein Haus mehr wolle und auch keine Mietwohnung, dass er das Problem nun lösen werde, indem er sich umbringt. Am nächsten Morgen weckte mich meine Mutter mit verquollenen Augen und erzählte, dass er ihr gesagt habe, er würde sich heute umbringen und nun mit dem Rad unbemerkt weggefahren war. Wir hätten fast die Polizei angerufen, bis meiner Mutter einfiel, dass er vielleicht zum Arzt gefahren sei (Verlängerung der Krankschreibung) und ein Anruf dort bestätigte es. Er beruhigte sich wieder etwas. Am gleichen Tag fing er plötzlich wieder an, dass er ein Haus kaufen wird...
Ich halte das kaum noch aus. Und ich halte es nicht aus, dass meine Mutter so leiden muss, so in ständiger Angst lebt. Sie ist auch nicht die Gesündeste, hatte viele Jahre Colitis ulcerosa und nun Herzprobleme. Mein Leben ist die reinste Hölle, so erscheint es mir jedenfalls in vielen Momenten. Nun bin ich seit gestern wieder in meiner eigenen Wohnung, lebe mein eigenes Leben weiter, aber all das ist natürlich trotzdem noch da. Ich fühle mich oft wie im Gefängnis, aus dem ich nicht entkommen kann. Alle meine Versuche zur Kommunikation scheitern. Meine Eltern reden nicht miteinander, mein Vater und mein Bruder reden nicht miteinander, es bleibt meistens an mir hängen, zwischen ihnen zu vermitteln. Ich hasse das und weise es immer öfter von mir. Aber ich kann mich doch nicht einfach raushalten, das ist meine Familie!
Ab Montag sind die Ferien wieder vorbei und ich werde versuchen, irgendwie weiterzumachen. Ich weiß manchmal nicht, woher ich die Kraft dafür nehmen soll. Alles erscheint mir so sinnlos. Ich wünsche mir oft, abends einzuschlafen und morgens nicht mehr aufzuwachen. Aber das geht natürlich nicht. Und ich will ja auch gar nicht weglaufen. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich das alles schaffen soll.
Vielen Dank fürs Lesen und falls es tatsächlich jemand bis zum Ende geschafft hat - Respekt :FOU: !!
Würde mich sehr über Kommentare freuen.
Alles Gute für Euch,
satinsoul