Ich will mir mal ein bisschen meine Trauer von der Seele schreiben. Ich schaffe es nicht mich damit auseinander zu setzen oder sie zu verarbeiten. Ich weiß nicht wie das gehen soll. Vor zwei Jahren erhängte sich mein Vater, weil meine Mutter ihn verlassen hat. Er litt Jahre an Psychosen, Amalgamvergiftung, Depressionen, Angstsörungen. Sie hatte keine Lust mehr, und ließ mich mit ihm allein. Ich bin zwar 33, aber dennoch ist sowas schlimm. Sie hatte sogleich einen neuen Freund. Und als mein Vater tot war, kam sie mit ihrem Macker und hat seine Wohnung und Konto leer geräumt. Sie tauschte die Schlösser aus, und Verbot mir und meinem Mann das Grundstück meiner Eltern zu betreten. Dann hat sie alles verkauft. Ich musste die Beerdigung zahlen, mich um seinen Hund und seine Eltern kümmern. Meine Großeltern haben mich praktisch großgezogen, weil meine Mutter nie großes Interesse an mir hatte und mein Vater entweder arbeiten oder krank war. Mein Opa wurde sehr dement und sein Körper baute ab. Er bekam einen Herzinfarkt. Danach nahmen wir ihn zum sterben aus dem Krankenhaus nach Hause. Jeden Tag sahen wir ihm dabei zu wie seine Organe versagten, bis er plötzlich nicht mehr atmete. Danach mussten wir noch sechs Stunden mit seiner Leiche im Wohnzimmer auf den Bestatter warten. Seitdem geht es meiner Oma auch immer schlechter. Sie war der einzige Mensch in meinem Leben der sich wirklich um mich und mein Leben gekümmert oder interessiert hat. Jetzt ist sie nicht mehr für mich da. Ich kann das verstehen. Aber ich habe Angst sie auch zu verlieren. Sie ist alt. Und dann bin ich mit meinem Mann und meiner Tochter allein auf der Welt. Daher habe ich täglich panische Angst, dass ihnen etwas zustößt, weil ich nicht weiß wie man leben soll ohne irgendeinen Menschen oder Familie zu haben. Meine Verlustängste steigern sich so stark, dass ich mir am meisten Wünsche meine Familie würde das Haus nicht mehr ohne mich verlassen. Aber das geht natürlich nicht. Und ich strenge mich an, meine Familie nicht zu kontrollieren oder mit meinen Ängsten zu belasten.
Aber ich weiß nicht wie ich loswerden oder trauern soll. Bei meinem Vater spüre ich immer noch nur maßlose Wut. Und der Besuch auf dem Friedhof löst bei mir keinerlei Gefühle aus. Ich habe auch auf den Beerdigungen nicht geweint. Das Grab ist für mich nichts anderes als ein schöner kleiner Garten mit Blumen. Was stimmt nicht mit mir? Meiner Oma geht es so schlecht, dass sie den Friedhof nicht mal betreten kann. Und mir ist alles egal.
Meine Trauer äußert sich in Alpträumen und Panikattacken, die mir den Alltag erschweren.
Zusätzlich sind in diesem Jahr auch unser Nachbar, die Schwägern meiner Oma, meines Vaters Hund, die Katze und die Oma meines Mannes gestorben. Alles Menschen, und Tiere, die ich sehr gern hatte. Es sieht so aus, als ob auch bald der Bruder meiner Oma stirbt. Das wird sie nicht überleben. Warum sterben alle um mich herum? Und wie soll ich meinem Gehirn mit seinen Angstzuständen da plausibel erklären, dass meinem Mann und meiner Tochter nichts passiert?
Therapie mache ich, schlägt aber nicht an. Meine Therapeutin meinte ich hätte meinen Glauben verloren, und das sei zwar schlimm, aber wieder hinzukriegen...
Bei all den Todesfällen würde ich mir fast mal wünschen, dass es meine Mutter wenigstens auch mal erwischt. Aber die macht sich ein schönes Leben in Spanien.